#426 vom 07.03.2005
Rubrik Kolumne
Sal's Prog Corner #42
Derweil der Frühling noch auf sich warten lässt, ist der Prog-Jahrgang 2005 schon in voller Blüte und präsentiert einen kunterbunten Strauß an Neuveröffentlichungen.
Zwei der interessantesten Releases, nämlich die Alben "Picture" von der neuen Prog-Supergroup Kino und die spritzig-freche Scheibe "Anchor Drops" der Shooting Stars Umphrey's McGee kann man heuer im Rahmen dieser Prog Corner gewinnen, wenn man folgende Frage richtig beantwortet: Bei welcher Band spielt Kino-Bassist Pete Trewavas hauptamtlich? Die hoffentlich richtige Antwort sendet bis zum 12.3.2005 an sal@schallplattenmann.de. Die drei Gewinner werden in der nächsten Ausgabe bekannt gegeben.
Viel Erfolg bei der Verlosung und, wie immer, viel Spaß beim Lesen: Keep on proggin'. [sal]
Verweise auf diesen Artikel aus späteren Ausgaben:
Spock's Beard "Octane"
Progressive Rock – Die ex-Band von Neal Morse schwimmt sich frei
(CD, 2CD; InsideOut)
Wenn ich ehrlich bin, hatte ich Spock's Beard solch ein vorzügliches Album nach der enttäuschenden "Feel Euphoria" nicht mehr zugetraut. Zu groß schien der Verlust des Songschreibers und Frontmanns Neal Morse zu sein, zu orientierungslos und verkrampft klangen die Versuche der Restband einen neuen, eigenständigen Sound zu finden.
Auf "Octane" gelingt dem Quartett nun im zweiten Anlauf das, was beim Vorgänger völlig misslang: Die Band klingt musikalisch eigenständig und weiterentwickelt, ohne dass man den eigenen Charakter völlig aufgegeben hätte. Waren die alten 'Bärte' oft kopflastig (soll heißen, dass sie eher als Begleitcombo für Neal Morse agierten), so klingen Spock's Beard auf "Octane" zum ersten Mal wie vier gleichberechtigte Musiker. So emanzipiert konnten sie mit "A Flash Before My Eyes" ihren schönsten Longtrack seit Jahren einspielen, der schon alleine das Album in ihrer Diskographie adelt.
"Octane" ist auch als Limited Edition mit wirklich hörenswerten Outtakes auf einer Bonus-CD erschienen. [sal: @@@@]
Verweise auf diesen Artikel aus späteren Ausgaben:
<#459: Spock's Beard "Gluttons for Punishment"> [sal:Â @@@]
<#436: Steve Thorne "Emotional Creatures Part One"> [sal:Â @@@@]
The Amber Light "Stranger & Strangers"
Artrock – Mehr als ein Lebenszeichen der Wiesbadener
(EP; Goodlife)
Passend zur anstehenden Tournee mit dem deutschen Artrock-Quartett RPWL, legen die Wiesbadener von The Amber Light eine knackige EP vor, die sie in ihrer gesamten Bandbreite präsentieren soll. Folgerichtig geht es auf "Stranger & Strangers" deutlich variabler und rockiger zu, als auf ihrem von Weltschmerz durchdrungenem 2004er Longplayer "Goodbye To Dusk Farewell To Dawn". Glichen sie auf Letzterem noch den Postrock-Ikonen Radiohead, so wirken sie auf dieser neuen EP deutlich konventioneller, rückwärtsbezogener und gitarrenlastiger. Ein Hauch von Johnny Marr umgibt nun die ausufernden Gitarrenparts, was dem Gesamtsound der Band allerdings keinen Abbruch tut und ihnen sicher neue Fans bringen wird. [sal: @@@]
<#420: RPWL "World Through My Eyes"> [sal:Â @@@]
<http://www.theamberlight.de/>
Thalija "Thalija"
Post-Rock-Trance – Felix Austria postrockt
(CD; Pumpkin)
Irgendwann, am Anfang des neuen Jahrtausends, gründete sich ein namenloses Trio in Wien, um die Konzepte des Freejazz mit Post-Rock zu verquicken und eine eigenständige, frei improvisierte Musik zu erschaffen. Mittlerweile wurde aus dem namenlosen Trio das fünfzehnköpfige Kollektiv Thalija, welches nun sein Debüt-Album dem geneigten Hörer vorstellt.
Die sechs unbetitelten Tracks des Albums sind zwar frei improvisiert in Sessions entstanden, haben in sich erfreulicherweise eine gewisse Stringenz. Dabei ist Thalijas Sound (acht Gitarren, drei Bässe, zwei Schlagzeuge et al.) dynamischer als jener der großen Szene-Vorbilder Sigur Rós oder Godspeed You Black Emperor!, trotzdem en gros eher psychedelisch denn rockig angelegt. Für Freunde des Genres sollte dieses Debüt wirklich interessant sein, da Thalija schon jetzt sehr eigenständig agieren, gerade beim besten Track #5 des Albums. Ich bin mir sicher, dass sich Bandkonzept und Sound noch weiter entwickeln werden und von dieser Band noch zu berichten sein wird. [sal: @@@]
Æon Spoke "Above The Buried Cry"
New Artrock – Intelligenter, melodischer Rock
(CD; Mercy Stroll)
Musiker sind oft erstaunlich wandlungsfähig. So spielen beim US-amerikanischen Quartett Æon Spoke Paul Masdival und Sean Reinert, die sich bei (Prog-)Metal-Combos wie Cynic, Gordian Knot und Death einen Namen gemacht haben: Von ihrer laut-lärmenden Vergangenheit ist auf dem Debütalbum "About The Buried Sky" nicht mehr viel zu hören. Mag es nun Berechnung oder Bestimmung sein, die Jungs agieren hier deutlich massenkompatibler und radiotauglicher.
Wer mit Bands wie Porcupine Tree etwas anfangen kann, der wird hier genau richtig liegen: Der melancholische, leicht psychedelische Sound der Band ist durchaus gefällig (was ich in diesem Fall gar nicht abwertend meine) und könnte auch Musikfreunde ansprechen, die normalerweise den Progressive Rock meiden wie der Teufel das Weihwasser, weil die Band deutlich songorientiert arbeitet (kaum ein Song überschreitet die 5-Minuten-Marke) und sich nicht in ausufernden Solo-Orgien verliert. Das Konzept des Prog light von Bands wie Æon Spoke, Porcupine Tree, Blackfield oder Kino geht auf: Mit der Reduzierung auf wenige Grundelemente des Progressive Rock hinaus aus dem Nischen-Dasein, hinein in den postmodernen Plattenschrank. [sal: @@@]
<#411: Blackfield "Blackfield"> [sal:Â @@@@]
<#426: Kino "Picture"> [sal:Â @@@@]
<http://www.aeonspoke.com/>
Umphrey's McGee "Anchor Drops"
Jamrock – Zappa meets Phish meets Prog meets...
(CD; InsideOut)
Mittlerweile ist es ja schon en vogue die irrsinnigsten Stile miteinander zu vermengen, doch was das Chicagoer Sextett Umphrey's McGee auf ihrem europäischen Debüt "Anchor Drops" vorlegen, ist so noch nie da gewesen.
Technisch brillant, verquicken die Mannen um Gitarrist/Sänger Brendan Bayliss Elemente der Jamrock-Ikonen Phish mit dem Humor und der Spielfreude Frank Zappas, leihen sich Sounds beim Progressive Rock der 1970er Jahre und stibitzen Groove und Feeling bei Bands wie Steely Dan oder dem Mahavishnu Orchestra. Das Ergebnis ist ein hoch abwechslungsreiches, geradezu furioses Album, das bei seiner guten Stunde Laufzeit wirklich niemals langweilig oder repetitiv wird, sondern ganz im Gegenteil vor Musikalität und Tempo nur so sprüht.
Am Rande sei erwähnt: InsideOut, das deutsche Label der Umphreys, ist in der Szene nicht gerade für waghalsige und innovative Releases bekannt, sondern für wertkonservative Retro-, Neo- und Melodic-Rock-Alben. Umso erfreulicher, wenn das bedeutendste Label in der Szene nun über den Tellerrand guckt. Qualität setzt sich halt durch. [sal: @@@@]
Verweise auf diesen Artikel aus späteren Ausgaben:
<#483: Umphrey's McGee "Safety In Numbers"> [sal:Â @@@]
<#427: Sal's Prog Corner Verlosung: Die Gewinner> [sal]
Kino "Picture"
New Artrock – Supergroup ohne Supergroup-Allüren
(CD, CD+DVD; InsideOut)
John Mitchell (g, hauptamtlich bei Arena tätig), Pete Trewavas (b, Marillion), John Beck (keyb, ex-It Bites) und Chris Maitland (dr, ex-Porcupine Tree) sind ein prominentes Line-Up, das einen schnell zum Etikett 'Supergroup' greifen lässt. Erfreulicherweise klingen Kino aber weit weniger nach vier konkurrierenden Super-Egos, als man befürchten muss. Würde man nicht wissen, dass die Bandmitglieder hauptamtlich anderweitig Brötchen verdienen, so würde man von einer gut eingespielten 'richtigen' Band ausgehen, denn als genau solche präsentieren sich die vier Musiker auf ihrem Debüt "Picture".
Die große Stärke von Kino liegt darin ohrwurmhafte Melodien in lockere Songs einzuflechten. Mitchell erweist sich hierbei als brauchbarer Sänger, vor allem aber trägt die geschmackvolle Produktion zum ausnehmend hohen Niveau des Albums bei. Hier zahlt sich aus, dass erfahrene Musiker am Werke sind, die sich nicht in den Vordergrund drängen müssen. Prog-light könnte man schimpfen, doch in Wirklichkeit ist "Picure" endlich einmal eine Mainstream-Produktion, die zwar deutlich nach einem größeren Markt schielt, aber dennoch nicht aufgesetzt peinlich oder blutleer, langweilig und stereotyp daher kommt.
Das Album erscheint auch als Limited Edition mit Ausschnitten ihres Rockpalast-Auftritts im Dezember 2004 auf Bonus-DVD. [sal:Â @@@@]
<#389: Marillion "Marbles"> [dmm:Â @@@]
<#327: Porcupine Tree "In Absentia"> [dmm:Â @@@@@]
Verweise auf diesen Artikel aus späteren Ausgaben:
<#641: Arjen Lucassen's Guilt Machine "On This Perfect Day"> [sal:Â @@@@]
<#520: Blind Ego "Mirror"> [sal:Â @@]
<#427: Sal's Prog Corner Verlosung: Die Gewinner> [sal]
@@@@@ - potentieller Meilenstein: Starlight
@@@@ - definitives Highlight: Highlight
@@@ - erfreuliche Delikatesse: Delight
@@ - solides Handwerk: Solidlight
@ - verzichtbarer Ausschuss: Nolight