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[ << | Inhalt | >> ]Ausgabe #576 vom 24.03.2008
Rubrik Texte - lesen oder hören

John Wyndham / Carl Dietrich Carls "Kolonie im Meer"

H̦rspiel РAus dem Klima des Kalten Kriegs geboren (1967)
(2CD; Audio-Verlag)

Von dem, wie Stephen King meint, »wohl besten Science-Fiction Autor, den England jemals hatte« gibt es aktuell kaum eine deutsche Übersetzung zu kaufen. Und wenn, dann stammt sie garantiert aus den 1960er Jahren. Darum ist es großartig, dass der Audio-Verlag neben William Gibsons "Cyberspace", George Orwells "1984" und Stanislaw Lems "Solaris" auch John Wyndhams (1903-1969) Science-Fiction-Hörspiele wieder veröffentlicht. Wyndham war ein Kind seiner Zeit, seine post-apokalyptische Science Fiction ist, wie könnte es anders sein, vom Kalten Krieg geprägt.
In den 1960er Jahren wurden einige seiner Erfolgsromane für das WDR-Radio produziert. Neben "Die Triffids" auch das jetzt auf zwei CDs erschienene Hörspiel "Kolonie im Meer". Die Hauptrolle spricht wieder der Star der damaligen Zeit, der Schauspieler Hansjörg Felmy. Wie es sich für anspruchsvolle Science-Fiction geziemt, beginnt alles mit einer Sentenz: »Es ist immer wieder merkwürdig: Alle Menschen behaupten von sich, verlässliche Augenzeugen zu sein.«
Diese Worte spricht der Journalist Mike (Hansjörg Felmy). Er erinnert sich, wie er mit Phyllis (Xenia Pörtner), ebenfalls Journalistin, auf einer Kreuzfahrt war, als plötzlich Feuerbälle am Himmel auftauchten und ins Meer stürzten. Jeder an Bord hat eine unterschiedliche Zahl gesehen. Aber für die Folgen ist dies unerheblich: Feuerball-Sichtungen häufen sich, dann gehen massenhaft Schiffe unter. Schließlich muss der Schiffsverkehr weltweit eingestellt werden. Zunächst verdächtigen die Amerikaner die Russen. Die Russen die Amerikaner. Doch der Forscher Dr. Bocker (Dieter Borsche) spricht mutig das Undenkbare aus, dass mit den Feuerbällen technisch hochentwickelte Wesen auf die Erde gekommen sind. Sie schmelzen nach einigen Monaten sogar die Pole ab und lassen so den Wasserspiegel weltweit steigen. Nur 10% der britischen Bevölkerung überleben. Aus dem Chaos berichten Mike und Phyllis mit einer Intensiät, die an H.G. Wells' "Krieg der Welten" erinnert – ich meine nicht die Verfilmung mit Tom Cruise, sondern den Roman und dessen revolutionäre Hörspielversion von Orson Wells, dessen Umsetzung als Live-Reportage in den 1930er Jahren tausende New Yorker aus Manhattan flüchten ließ.
Fast könnte man meinen, Frank Schätzing hätte "Kolonie im Meer" gekannt, bevor er seinen epochalen Science-Fiction-Roman "Der Schwarm" schrieb. Aber nein, dafür sind beide eigenständig und detailiert genug: Wyndhams Figuren und philosophischen Ansätze entstammen den 1960er Jahren, Schätzing dreht sich um soziale, biologische und politische Problemstellungen unserer Tage. Und gerade auch wegen dieser Eigenständigkeit ist John Wyndham zu loben: Er war an den psychischen, sozialen und politischen Veränderungen interessiert, die eine Invasion Außerirdischer in der realen Welt bewirken würde. "Kolonie im Meer" ist ein schillerndes Beispiel für Wyndhams Kunst. Intelligent, phantasievoll, packend – und der Sound des hochkarätig besetzten Hörspiels spiegelt für uns heute das psychische Klima des Kalten Krieg auf faszinierende Weise wider. [vw: @@@@]


@@@@@ - potentieller Meilenstein: Starlight
@@@@ - definitives Highlight: Highlight
@@@ - erfreuliche Delikatesse: Delight
@@ - solides Handwerk: Solidlight
@ - verzichtbarer Ausschuss: Nolight


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