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[ << | Inhalt | >> ]Ausgabe #383 vom 29.03.2004
Rubrik Feature

Sal's Prog Corner #34

Der Frühling pirscht sich so langsam aber stetig an uns heran: Es wird mal wieder Zeit für einen Blick auf die Neuerscheinungen aus der Progressive-Rock-Szene. Passend zur Jahreszeit erwartet uns ein buntes Sammelsurium, viel Spaß beim Lesen und Entdecken. [sal]


Pain Of Salvation "12:5"

Progressive Metal – Akustisch und variabel
(CD; InsideOut)

Daniel Gildenlöw, Mastermind der schwedischen Progmetaller von Pain Of Salvation, hat sich für das erste Live-Album seiner Band etwas Besonderes einfallen lassen. Im ruhigen, akustischen Gewand präsentiert er Kompositionen aus den vier vorangegangenen Alben. Das klingt unaufgeregt und relaxed, lediglich Gildenlöws Gesang verleiht den Songs eigentliche Tiefe.
Mir scheint es fast so, als ob Gildenlöw sich vom ProgMetal immer mehr emanzipiert. So gesehen ist "12:5" nur ein weiterer Schritt in mehr musikalische Variabilität, eine Zwischenstation. Nur als solche kann man das Album wohl auch verstehen. [sal: @@@]


Verweise auf diesen Artikel aus späteren Ausgaben:


Thieves' Kitchen "Shibboleth"

Progressive Rock – Zwischen Jazzrock und Retro
(CD; Thieves Kitchen)

Thieves' Kitchen gehören mit Sicherheit zu den meistgenannten Geheimtipps der letzten Jahre aus England. Das mittlerweile dritte Album "Shibboleth" bietet wieder den für die Band aus Hampshire bewährten Stilmix aus Progressive-Rock-Anleihen an Bands wie Brand-X oder King Crimson, dazu hat man jetzt mit Amy Darby eine versierte, jazzig angehauchte Sängerin, deren gefühlvoller Gesang zur rhythmisch komplexen, jazzrockigen Musik in interessantem Kontrast steht.
Deutlich verbessert hat sich der produktionstechnische Standard des Albums, der seine Low-Budget-Bedingungen allerdings nicht immer verheimlichen kann. Dadurch wirkt der Sound der Band manchmal seltsam zweidimensional, gerade an den rhythmisch komplexen Stellen der Drum-Sound etwas zu flach. Schade, mit mehr produktionstechnischer Raffinesse wäre aus dem Album noch mehr geworden, der leidgeprüfte Progger wird aber auch so voll auf seine Kosten kommen. [sal: @@@]


Verweise auf diesen Artikel aus späteren Ausgaben:


Discus "...tot licht!"

Progressive Rock – Jazzrock, Fusion, Metal, Artrock, Folk, Neue Musik und mehr
(CD; Musea)

So wenig einladend das Cover in seiner Aquarellästhetik a la Zeugen Jehovas, so spektakulär ist das Album in seinem musikalischen Inhalt: Die indonesische (!) Band Discus entfacht von der allerersten Sekunde (bis zur allerletzten) ein in dieser Form ungehörtes, unerhörtes Feuerwerk an Stilrichtungen, Genres, Anspielungen, Déjà-vus und Zitaten. Ungestüm und frech, jedoch in höchstem Maße professionell, verquicken Discus all das, was doch dereinst per definitionem nicht zu verquicken war. So herrschen meist jazzrockige Elemente vor, diese werden aber von knüppelharten Metal-Riffs geradezu zersägt; sie paaren den typischen, progressiven Größenwahnsinn mit introvertierter Instrumentalmusik; sie durchsetzen Prog mit Latin-Jazz, mit Scat-Gesang, mit Freejazz, mit Zappaeskem, mit Düster-Bedrohlichem, kurzum mit allem, was ihnen vor die Füße fällt.
Das Unerwartete ist in ihrer Musik Programm. Wie ein Rahmen um all dies spannen sie dann noch genre-fremde Einflüsse (buddhistische Chormusik, indonesische Gamelan-Musik, pentatonische Musik Debussy'scher Prägung), vermengen ihre furiose Fusion mit genre-verwandte Einfüssen (einfach köstlich das Metal-Grunzen auf "Breathe", das geschickt im Dialog mit den jazzigen Frauen-Vocals steht) und einer gehörigen Portion Respektlosigkeit.
Um es auf eine kurze Formel zu bringen: Discus prägnantestes Stilmittel ist der permanente Regelverstoß, das Auflösen alter Klischees, eine sehr freie Lesart progressiver Rockmusik, die sich vergnügt bei all dem bedient, was für die Entwicklung der Komposition (und des Albums) notwendig ist. Es steckt viel Arbeit und musikalisches Können in solch einem Album; wie erfreulich, dass es auch noch so wahnsinnig viel Spaß macht: Definitiv jetzt schon ein Highlight des Jahres. [sal: @@@@@]


Verweise auf diesen Artikel aus späteren Ausgaben:


The Mass "City Of Dis"

(Kein) Metal – Brachiales Machwerk mit unwiderstehlicher Energie und Prog-Déjà-vu
(CD; Monotreme)

Ich bin mir nicht sicher, ob das amerikanische Quartett The Mass so glücklich über ein Review an dieser Stelle sein wird, dennoch komme ich nicht umhin, den brachialen, brutalen, gewalttätigen Mix aus Jazz, Punk, Metal, und eben Prog hier an dieser Stelle zu besprechen. Schon alleine, weil ich normalerweise für Musik in solch einer Lautstärke und Taktfrequenz nur ein arrogantes, überlegenes "Oh mein Gott, schon wieder so ein Metal-Schrott"-Grinsen übrig habe.
Doch trotz übelster Bratzel-Bretter-Brachial-Gitarre und verschärften Gebell-Vocals ist das hier kein üblicher Headbanger-Stuff. Schuld ist das eindeutig variabel gehaltene Rhythmuskonzept, dass dem Album innewohnt und Schuld daran ist vor allem das herrlich freejazzig gespielte Saxophon, dass unüberhörbar diesen 'Krach' mit Szene-Größen wie King Crimson und Van Der Graaf Generator verbindet. Wenn man erst einmal diese Hookline in der Musik gefunden hat, wird auch das Gesamtkonzept des Albums (vielleicht) schlüssiger: The Mass sind gar keine Metal-Band. Die Vier sind Anarchisten, die alle gängigen Konzepte ablehnen und sich im Metal, wie im Jazz oder in anderen Genres nur bedienen, um das auszudrücken, was wirklich in ihnen steckt: Pure Energie. [sal: @@@@]


Verweise auf diesen Artikel aus späteren Ausgaben:


Jack Foster III "Evolution Of JazzRaptor"

Progressive Rock – Konzeptalbum mit Godzilla-Ästhetik außen und feinster Musik innen
(CD; Musea)

Ich habe keine Ahnung, wer Jack Foster I und II waren, ich weiß auch nicht wirklich viel über Jack Foster III, aber das vorliegende Debüt mit prominenter Hilfe (Trent Gardner u.a. von Magellan und Explorer's Club; Robert Berry von Three) ist wirklich eine erfreuliche Neuerscheinung.
Foster kombiniert Prog-Elemente mit Rock, Singer/Songwriter-Versatzstücken, Folk und immer wieder jazzigen Passagen. Gut, gut – Foster ist nicht der erste, aber seine Mischung klingt schon recht charming und ist bei allem musikalischen Anspruch sehr anhörbar. Auf eine allzu verkopfte Attitüde wurde erfreulicherweise zugunsten der schönen Melodien in den Songs verzichtet, so dass "Evolution Of JazzRaptor" nicht nur verschiedene Geschmäcker innerhalb der Szene bedient, sondern auch über den progressiven Tellerrand hinaus Gehör findet.
Besondere Erwähnung verdienen auch das wirklich herrliche Godzilla-Cover von Mattias Noren (der schon Covers für Arena, Ayreon und Star One entwarf) und die blitzsaubere Produktion. Hoffentlich bald mehr als ein Geheimtipp. [sal: @@@@]


Verweise auf diesen Artikel aus späteren Ausgaben:


Toxic Smile "RetroTox Forte"

Progmetal – Ostdeutsche Progger mit internationalem Format
(CD; Famous Kitchen)

Die ostdeutsche Formation Toxic Smile ist in Deutschland eigentlich nur der Prog-Rock und -Metalszene bekannt, ihr Debüt-Album "M.A.D." war allerdings in Südkorea ein richtiger Kassenschlager. Der Prophet gilt halt nichts im eigenen Land und so zieht das Quintett auf dem zweiten Album "RetroTox Forte" wahrlich alle Register, um sich die verdiente Anerkennung in Deutschland und Europa zu verschaffen.
Musikalisch und technisch auf höchstem internationalen Niveau, zelebrieren Toxic Smile ihre sehr eigene Mischung aus Artrock und Progmetal-Einflüssen, sehr melodiebetont und mit exquisiten Vocals (und Vocal-Arrangements). Insgesamt wohl so etwas wie melodischer Progmetal mit Referenzen an Bands wie Pain of Salvation oder Threshold, nicht ohne Bombast, aber sehr einnehmend. Das ist bisweilen sogar radiokompatibel ("Pyramid"), aber eben nicht peinlich oder aufgesetzt kommerziell. Ein Highlight aus der sich immer mehr emanzipierenden und erwachsen werdenden deutschen Szene. [sal: @@@@]


NDV "Live And Acoustic"

Progressive Rock – Der Spock's Beard Frontmann akustisch – auch als DVD
(CD; NDVmusic)

Schöne akustische Live-CD von Nick D'Virgilio, seines Zeichen (neuer) Frontmann und Drummer bei Spock's Beard, mit altem und neuem Solo- und 'Bärte'-Material plus einiger Coverversion, in akustischem Gewand, sehr charmant eingespielt und gesungen, CD und DVD sind (leider) nicht ganz deckungsgleich.
Sinnigerweise die bis dato beste akustische Veröffentlichung aus dem 'Bärte'-Clan, der Junge kann ja richtig singen – für Spock's Beard-Fans endlich mal wieder ein angenehmes Schmankerl, bis dato nur auf der NDV Website, auf der man auch einige Soundschnipsel findet. [sal: @@@]


@@@@@ - potentieller Meilenstein: Starlight
@@@@ - definitives Highlight: Highlight
@@@ - erfreuliche Delikatesse: Delight
@@ - solides Handwerk: Solidlight
@ - verzichtbarer Ausschuss: Nolight


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