#505 vom 09.10.2006
Rubrik Texte - lesen oder hören
Franz Kafka "Das Urteil"
Hörbuch – Felix von Manteuffel liest Kafkas Lieblingsprosa
(3CD; Naxos Hörbuch)
War Dr. jur. Franz Kafka (1883-1924) ein pathologischer Fall? Wer seine Tagebücher liest, ist prompt überzeugt.
Seinen inneren Ausnahmezustand angesichts der mit anderen zu teilenden Welt goss Franz Kafka auch in fiktive Texte, wie wir alle wissen. Der Prager träufelt in seine präzise Prosa verzweifelte Figuren, die durchs Labyrinth der Welt irren. Auch abstruser Humor schmeckt in diesen Prosa-Cocktails durch. Die elektrisierte Lust des einsamen Autors am nächtlichen Schreibtisch, mit dem Bleistift über blasse Papiere kratzend, die er nicht selten in der Kneipe vor bewundernden wie amüsierten Freunden verlas. Viele stoßen diese 'kafkaesken' Textwelten ab, manchen ziehen diese Welten gar in die Depression.
Wer Kafkas Textwelten vorliest, der muss diese sensorisch präzisen Verdrehtheiten überlegen meistern. Felix von Manteuffel ist hier für mich der perfekte Mann, auf gleicher Höhe mit einem Christian Brückner. Manteuffel, der A-Klasse-Schauspieler mit der von Penibilität und Reife gewürzten Stimme, liest auf den drei "Das Urteil" betitelten CDs:
- "Das Urteil", 30 Minuten – Dies Prosastück gilt als Kafkas Selbst-Initiation zum großen, modernen Schriftsteller. In der Nacht vom 22. auf den 23.9.1912 kritzelte er Zeile für Zeile zu Papier. Kafka, damals gerade 29, war hingerissen von dieser Nacht: "Nur so kann geschrieben werden, nur in einem solchen Zusammenhang, mit solcher vollständigen Öffnung des Leibes und der Seele", notierte er.
- "Der Heizer", 79 Minuten – Das erste Kapitel eines von Kafka unter dem Titel "Der Verschollene" begonnenen Romans, der unvollendet geblieben ist und den nach Kafkas Tod dessen Freund Max Brod unter dem Titel "Amerika" herausgegeben hat.
- "In der Strafkolonie", 79 Minuten – Spät im Jahr 1914 arbeitete Kafka an seinem Roman "Der Prozess". In dieser Zeit schrieb er auch "In der Strafkolonie", die Beschreibung einer Exekution mit Hilfe eines pervers programmierten Apparates. In den ersten Sätzen meint man, einer Variante von H.G. Wells "Die Zeitmaschine" zu lauschen.
- "Gespräch mit dem Betrunkenen", 10 Minuten und "Gespräch mit dem Beter", 17 Minuten – Beide Erzählungen wurden bereits 1909 veröffentlicht. Die Verlorenheit des Einzelnen in der verdrehten Welt ist schon hier das Thema.
<http://www.kafka.uni-bonn.de/>
<http://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Kafka>
Verweise auf diesen Artikel aus späteren Ausgaben:
@@@@@ - potentieller Meilenstein: Starlight
@@@@ - definitives Highlight: Highlight
@@@ - erfreuliche Delikatesse: Delight
@@ - solides Handwerk: Solidlight
@ - verzichtbarer Ausschuss: Nolight
Permalink: http://schallplattenmann.de/a115078