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[ << | Inhalt | >> ]Ausgabe #317 vom 28.10.2002
Rubrik Neu erschienen

Mighty Mo Rodgers "Red, White And Blues"

NuBlues and politics ohne 12-Takt-Terror
(CD; Emarcy)

Die Zeit ist reif. Weniger für die FDP als für Mighty Mo Rodgers. Buchstäblich in letzter Sekunde, gerade als sich der Blues in seinen letzten Todeszuckungen windet, totgekniedelt von erbarmungslos selbstsüchtigen Guitar-Heroes, totgepflegt von scheuklappenblinden Traditionalisten, missverstanden als stereotype Chauvi-Mucke, gefangen im 12-Takt-Trakt, da kommt ein alter, weißbärtiger Mann daher und befreit ihn aus der Belanglosigkeit.
Schon mit seinem letzten Album von 1998 "Blues Is My Wailin' Wall" brach der Songwriter, Sänger und Keyboarder mit dem starren musikalischen Korsett und textlichen Plattheiten und gab dem Blues seine aktuellen und geschichtlichen Bezüge zurück. Natürlich ist Rodgers nicht der einzigste Bluesmann, der soziale und politische Fragen aufgreift, aber er ist einer der wenigen, die zumindest eine geringe Chance haben, sich über den Tellerrand der Bluesgemeinde hinaus Gehör zu verschaffen.
"Red, White And Blues" kommt wie der Vorgänger in einem modernen Soundgewand daher. Die Grooves sind drückend und tanzbar, die Musik bewegt sich zwischen Funk, Rock, Gospel, Reggae und Mardi Gras. Dezent werden Samples und Soundschnipsel eingesetzt, Raum für solistische Höhenflüge gibt es nicht. Die Texte stehen klar im Vordergrund, und das ist gut so. Der Titelsong beschreibt knapp und punktiert die Diskrepanz zwischen amerikanischem Anspruch und Wirklichkeit, genauso wie die Ballade "Have You Seen The American Dream".
Rechtzeitig zum aktuellen Elvis-Hype kommt die Abrechnung mit dem King "The Boy Who Stole The Blues": "Some say Jim Crow made him the King of Rock'n'Roll/ and if there had to be a king/ it would have been a black boy, that's for sure". Freilich eine fragwürdige Behauptung. Wer jedoch die Geschichte kennt, wie Arthur Crudup, der Komponist von Elvis-Klassikern wie "That's Alright", "My Baby Left Me" oder "So Glad You're Mine", von Presleys Anwälten um seine Tantiemen geprellt wurde, kann die Wut verstehen.
Versöhnlicher dann der "Blue Collar Blues", der den Blues angesichts einer stetig wachsenden Zahl von Globalisierungsverlierern aller Hautfarben nicht mehr nur als rein schwarzes Eigentum ausweist. "The Boogie Man" ist eine Verbeugung vor dem verstorbenen John Lee Hooker, wo ein Sample von "Boogie Chillen" nahtlos in einen afrikanischen Percussion-Groove übergeht. Geschichtsunterricht ohne Worte.
"Noone is believing like us" meint Rodgers im gesprochenen "I Do This For The Dead" und umschreibt damit treffend den Charakter dieses erfrischenden Albums. Eine ernste, aber trotzdem humorvolle Bestandsaufnahme der Befindlichkeit des schwarzen Amerika, in der die Hoffnung siegt. Und endlich mal wieder ein Bluesalbum, das den Geist dieser Musik nicht als Sklave einer festgefügten musikalischen Form begreift. Ich könnte jetzt den Mund so voll nehmen wie einst John Landau und verkünden: "Ich hörte die Zukunft des Blues und ihr Name ist Mighty Mo Rodgers". Ist mir aber zu blöd... [pg: @@@@]


@@@@@ - potentieller Meilenstein: Starlight
@@@@ - definitives Highlight: Highlight
@@@ - erfreuliche Delikatesse: Delight
@@ - solides Handwerk: Solidlight
@ - verzichtbarer Ausschuss: Nolight


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