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[ << | Inhalt | >> ]Ausgabe #83 vom 16.11.1997
Rubrik Live - Musik spüren

Rocky Mountains Folk Festival, 22.-24.8.1997, Lyons, Colo.

Teil 1 von 2

Lyons, Colo., ist ein kleines, verschlafenes Nest inmitten der Rocky Mountains und am St. Vrain River liegend. Die Infrastruktur ähnelt jedem x-beliebigen Folk-Festival in Österreich, also: grindige sanitäre Einrichtungen und viel Alkohol (eine Seltenheit in USA). Musikalisch hielten sich beide Tage in der Waage: Am ersten Tag waren es vor allem The Burns Sisters, Tom Paxton sowie Nanci Griffith, die zu überzeugen wußten. Am zweiten Tag war es das Dreier-Gespann Cheryl Wheeler, Peter Himmelman und Michelle Shocked, die begeisterten, sowie im Nebenzelt ein ungewöhnliches Gespann mit einer hervorragenden (wenn nicht der besten im gesamten Festival) Performance: Teenie-Popper The Nields (ansonsten zu vergessen) gemeinsam mit The Burns Sisters.
Und jetzt etwas ausführlicher, beginnen wir mit Tom Paxton: Ihn vorzustellen wird wohl nicht nötig sein; ich habe mich immens gefreut, daß Tom Paxton noch lebendige Musik macht und nicht in der Nachahmung seiner früheren Leistungen stecken blieb (solche Erfahrungen zu machen, ist immer wieder schön). Tom Paxtons Anekdotenreichtum ist grandios, ebenso seine neuen und (natürlich) alten Topical-Songs. Die Neutextung seines Klassiker "What Did We Learn In School?" bescherte ihm standing ovations und sein Ein-Wort-Song über die Politik der Republikaner ("Shit!") sorgte für minutenlange Lacher. Das beste war das Gefühl, einem echten Folk-Sänger zuhören zu dürfen. Tom Paxton entschädigte mich mit einem unvergeßlichen Auftritt dafür, daß ich Pete Seeger nicht live erleben konnte.
Nanci Griffith, die meinte, ich denke, wir alle sind geboren um Tom Paxton-Songs zu singen, dürfte zwar etwas übertrieben haben, im wesentlichen stimmt aber die Richtung ihrer Aussage.
Nanci Griffith in persona ist eine wunderbare, angenehme Erscheinung. Ihre Musik widerspiegelt wesentliche Charakterzüge einer wichtig zu nehmenden Songwriterin. Ihre Stimme verzaubert vom ersten Moment an durch ihre Schönheit und dadurch gewinnt sie ständig an Publikum und Beliebtheit. Zu Recht! Oben erwähntes Zitat Tom Paxton betreffend schien sie während ihres Auftritts allerdings vergessen zu haben, weder erwähnte sie ihn, noch bat sie ihn auf die Bühne zwecks gemeinsamer Aktivitäten. Von einem Tom Paxton-Song weit und breit nichts. Cheryl Wheeler erzählt Geschichten und wenn sie nicht Geschichten erzählt, singt sie Geschichten. Sie hat ihren ureigensten, unverkennbaren Stil und steht dennoch fest in der Tradition der Folk-Musik und der Topical-Songs. Unbekannte Größen wie sie gibt es einige, die Befürchtung liegt aber nahe, es seien zu wenige, um die Musik am Ende des 20.Jahrhundert wieder dorthin zu führen, wo sie am Beginn des 20.Jhdt. stand: In der Schlichtheit, die bewegt, mit Melodien, die ergreifen und Musik, die zum Nachdenken und Verweilen einlädt und nicht das Gefühl gibt betrogen zu werden. Selbige Argumente können auch bei Peter Himmelman angewandt werden. Peter Himmelman scheint eine gut durchdachte Mischung aus Tom Waits und Bob Dylan zu sein. Er provoziert zudem das Publikum, sooft es geht, er fordert heraus und lädt gleichzeitig ein, er stellt ungewöhnliche Fragen bzw. Forderungen ("Puristen fordern ein Folk-Fest ohne Elektrizität - dreht den Regler ab!" - um stromlos weiterzusingen und zu -spielen - und lacht darüber: "Wie soll das funktionieren bei dieser Menge?!"), dennoch ist stets das Gefühl vorhanden bei einer einstudierten Show dabei zu sein, wären nicht all die spontanen Texteinflüsse mitten in irgendeinem Song (wenn er zuvor z.B. mit jemandem aus dem Publikum gesprochen hat, fließt dieser Jemand plötzlich in einer ganzen Strophe des Songs mit ein). Der Mann ist genial.
(Fortsetzung folgt) [mh]


Verweise auf diesen Artikel aus späteren Ausgaben:


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