#558 vom 29.10.2007
Rubrik Feature
Franz Schubert / Christine Schäfer · Eric Schneider "Winterreise"
Lost & Found: Klassik – Ganz anders, ganz wundervoll
(CD; Onyx)
Die "Winterreise" von Franz Schubert (1797-1828) ist wohl der berühmteste Liederzyklus überhaupt und ein unverwüstlicher Klassiker für alle Tenöre und Baritone, die sich mit einem Pianisten aufs Podium trauen, um diese Seelenschau eines Verlierers zu interpretieren. Unsterblich die Interpretationen von Dietrich Fischer-Dieskau, Hermann Prey, Peter Schreier und Hans Hotter oder aus jüngere Zeit Christian Gerhaher und Christoph Prégardien.
Zwei Frauen nahmen das Material bereits vor Christine Schäfer (Sopran) auf, Christa Ludwig und Brigitte Fassbaender (beide Mezzosopran). Die Interpretation der Schäfer ist nicht deswegen bemerkenswert und gar herausragend, weil sich nun eine Sopranistin an das (angeblich?) dezidiert männliche Liedgut wagt; es ist die Art und Weise, wie sie das wohlbekannte Material radikal umdeutet und neu beleuchtet. Aus dem todtraurigen, verzweifelten, enttäuschten Liebeskranken wird ein fast cooler Wanderer, ein misanthropischer Reisender, der ganz gewiss nicht weinerlich um Mitleid bettelt. Sein Scheitern und Sehnen sind Teil seiner Persönlichkeit; der Wanderer kokettiert fast mit seinem Unglück. Christine Schäfer und ihr kongenialer Partner Eric Schneider verzichten auf große Gesten, lärmende Effekte und aufgesetzten Pathos. Sie interpretieren mit Nuancen, feinen Veränderungen, die umso eindringlicher wirken, weil sie verständlich, nachvollziehbar und angemessen erscheinen: Die ist eine "Winterreise" für das 21. Jahrhundert! [sal: @@@@@]
<http://de.wikipedia.org/wiki/Winterreise>
<http://www.christine-schaefer.com/>
Verweise auf diesen Artikel aus späteren Ausgaben:
<#564: Christine Schäfer · Eric Schneider "Apparition: Henry Purcell / George Crumb"> [sal: @@@@]
@@@@@ - potentieller Meilenstein: Starlight
@@@@ - definitives Highlight: Highlight
@@@ - erfreuliche Delikatesse: Delight
@@ - solides Handwerk: Solidlight
@ - verzichtbarer Ausschuss: Nolight
Permalink: http://schallplattenmann.de/a116372