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[ << | Inhalt | >> ]Ausgabe #541 vom 02.07.2007
Rubrik Feature

John Fogerty im Interview

In den späten sechziger und frühen siebziger Jahren war John Fogerty mit seiner Band Creedence Clearwater Revival in den USA zeitweise populärer als die Beatles. In nur fünf Jahren lieferten sie Hits wie am Fließband: "Proud Mary", "Bad Moon Rising", "Down On The Corner" oder "Have You Ever Seen The Rain", genial einfache Rocksongs, geprägt durch Fogertys markante, schneidende Stimme und seine punktgenaue Leadgitarre. Nach der Auflösung der Band war Fogerty durch einen Knebelvertrag, der ihn um die Tantiemen seiner Songs brachte, jahrelang wie gelähmt und veröffentlichte nur sporadisch Alben. Jetzt hat er mit dem Karriereüberblick "The Long Road Home" endlich Frieden mit der Vergangenheit geschlossen. Peter Gruner sprach mit dem 62-jährigen vor seiner Welttournee, die ihn für einige Konzerte auch nach Deutschland führt.

Peter Gruner: Mr. Fogerty, sie sind in Kalifornien aufgewachsen und leben dort bis heute. Trotzdem beschreiben sie in ihren Songs in erster Linie den tiefen Süden der USA. Woher kommt die Faszination für diese Gegend?

John Fogerty: Gute Frage! Wahrscheinlich habe ich einfach gemocht, wie die Leute dort reden. Natürlich gibt es dort mehr als nur einen Akzent. Mit der Zeit bekommst du mit, dass die Leute in Texas ganz anders reden als in Louisiana oder Oklahoma. Das war mal das Erste. Dann war ich von der Vorstellung angezogen, dass der Süden ländlich ist. Das war meine 'Kleiner Junge träumt sich weit weg'-Sicht. Ich habe mir keine großen Städte vorgestellt, die es dort natürlich gibt; ich stellte mir eher vor, dass dort jeder in einer Hütte lebt. Aber was mich wirklich richtig durchgeschüttelt hat, war die Musik, die damals in der Rock'n'Roll-Ära aus dem Süden kam, und natürlich auch davor der Country-Blues.
Später, als Teenager, habe ich dann auch die Geschichten von dort aufgesogen, ich las William Faulkner und Tennessee Williams und habe mir die Filme angeschaut. Die ganzen Hintergründe kannte ich nicht, ich habe einfach die Geschichten gemocht. Sie haben das Wort 'fasziniert' gebraucht, und das trifft es ziemlich gut: Es war nicht etwas, das ich von der Mitte aus betrachtete, und deswegen hatte es etwas Zauberhaftes für mich.

Wann waren sie das erste Mal dort?

John Fogerty: Ich war nie im Süden bis kurz vor "Proud Mary". Wir hatten es schon aufgenommen, aber noch nicht herausgebracht, da machte ich meine erste Reise nach Memphis.

Sie haben ihren Stil relativ früh gefunden und dann nicht mehr groß verändert. Sieht so aus, als hätten sie von Anfang an eine sehr klare Vision davon gehabt, was sie machen wollten.

John Fogerty: Kommt darauf an, was sie mit 'früh' meinen. Ich bin aufgewachsen als der Rock'n'Roll gerade geboren wurde, der dann zur Hymne meiner Generation wurde. Es gab damals, so um 1955 herum eine riesige Explosion, überall, im Radio, im Fernsehen, im Kino. Ich liebte und imitierte all diese Sachen. Als Kind spielte ich "Suzie Q" sprang auf den "Midnight Special" auf, kam über Pete Seeger zu Lead Belly, der "Cotton Fields" oder "Midnight Special" sang, ich stand auf Howlin' Wolf und all das Zeug. Aber es hat gedauert bis ich 17 oder 18 war, bis ich fähig war auch so zu klingen wie die Sachen, die ich mochte. Ich spielte damals die Ventures oder Duane Eddy nach, doch erst als Creedence geboren war, bekam ich auch eine klare Vorstellung von mir selbst. Und das passt immer noch am besten zu mir. Ich schätze durchaus die späten siebziger und frühen achtziger Jahre und ich habe damals auch experimentiert mit dem, was ich im Radio hörte. In den späten Neunzigern und zu Beginn des neuen Jahrtausends habe ich sogar mit Rap und Drum-Machines herumgespielt. Das war mein unglücklicher Ausflug in die Disco-Musik. Wissen sie, man redet sich ein, dass die Welt sich ändert und man sich deswegen auch ändern müsste. Aber ich kam immer wieder zurück zu dem, was am besten zu mir passt, und von meinem heutigen Standpunkt aus gesehen war das mit Sicherheit die beste Entscheidung. Was am besten zu mir passt, ist auch das, worin ich wirklich gut bin.

Das erklärt vielleicht auch den Titel des Karriererückblicks "The Long Road Home", den sie als Letztes veröffentlich haben...

John Fogerty: Ja, zum Teil bestimmt. Meine Frau kam mit diesem Titel an, aber ich bin mir nicht sicher, ob sie das so auf die Kunst bezogen hat. Aber es geht alles Hand in Hand: Sicherlich war es auch meine Kraft als menschliches Wesen, die mir die Zuversicht gab, über so manche Dinge hinwegzukommen. Ich musste viele Hindernisse überwinden, um an den Punkt zu gelangen, wo ich mich wieder wohlfühlte in der Welt und in meiner eigenen Haut. Und das war eine große Sache für mich, denn – und da haben sie Recht – das hat mir auch geholfen, mich wieder auf meinen eigenen Stil und meine eigene Vision zu besinnen.

Klingt nach einem glücklichen Menschen...

John Fogerty: Oh ja, das bin ich jetzt! Ich bin froh, endlich zu wissen, was ich tue! (lacht) Es gab Zeiten, da wusste ich das nicht im Geringsten!

"The Long Road Home" ist bei ihrer alten Plattenfirma Fantasy Records erschienen, mit der sie jahrelang um die Copyrights ihrer Songs gestritten haben. Wie kam es dazu?

John Fogerty: Nun, das einzige was sich verändert hat, ist, dass Fantasy-Records an neue Leute verkauft wurde. Der alte Eigentümer ist weg, er nahm sein Geld und hat sich verdrückt. Die neuen Leute haben nichts zu tun mit meinen Problemen. Und ich bin nicht sauer auf eine Firma, sondern auf eine einzige Person. In erster Linie, weil die Firma und der Wohlstand dieser Person von mir geschaffen wurden.
Das heißt, eigentlich bin ich nicht mehr wütend, denn das ist vorbei, er ist von der Bildfläche verschwunden. Eine der großen Lektionen, die einem das Leben erteilt, ist, dass man sich weiterbewegen muss. Ich muss mich fragen, 'wie kann ich von hier aus das Beste daraus machen', anstatt immer nur in der Vergangenheit zu leben und mich zu ärgern. Meine Frau und ich dachten uns, dass es ganz bestimmt etwas Positives wäre, wenn ich mit meinen alten Songs wieder verbunden wäre, schließlich habe ich sie geschrieben und es ist sehr schmerzhaft, von ihnen getrennt zu sein. Also redete ich mit den neuen Besitzern, um zu sehen, wie die Dinge voran gehen würden oder auch nicht. Ich hatte den Eindruck, dass das gute Leute sind, und dass sie wirklich das Bedürfnis haben mich anständig zu behandeln. Und das war eine gute Sache: Anstatt mich anzuschauen und sich zu überlegen wie man mich am besten übers Ohr haut, versuchten sie tatsächlich mir zu helfen. Es ist trotzdem in erster Linie eine geschäftliche Entscheidung, denn die Copyrights besitzen immer noch sie. Es ist also nicht so, dass irgendein Licht aus dem Himmel kam und alles ganz wundervoll machte, aber ich musste mir einfach überlegen: John, was passiert ist, war nicht gut, aber trotzdem musst du von hier aus eine gute Entscheidung treffen.

Wie ist das jetzt für Sie die alten Songs zu spielen? Sehen Sie sie nun aus einem anderen Blickwinkel?

John Fogerty: Ich sehe sie noch genauso wie ich sie am Anfang sah. Ich bin wirklich sehr glücklich und es macht riesig Spaß "Proud Mary" und "Bad Moon Rising" und "Down On The Corner" zu singen. Diese Songs kamen direkt aus meiner Seele. Sie kamen von mir und jedes einzelne Teil der Musik, alles was die Band spielte, die Arrangements, alles kam von mir. Und ich bin glücklich, dass die Songs noch relevant sind, und dass die Leute sie noch hören wollen.

Im Gegensatz zu vielen anderen Songwritern ihrer Generation singen sie recht wenig über persönliche Dinge, vielmehr ist Ihre Sprache sehr universell. Welche Absicht steckt hinter ihren Liedern?

John Fogerty: Nun, die ist eigentlich ziemlich klar: Einen Song wie zum Beispiel "Who'll Stop The Rain" habe ich geschrieben, weil die amerikanische Regierung besonders in den späten sechziger Jahren alles getan hat, um die Öffentlichkeit zu verwirren und sie von der Wahrheit fern zu halten. Außerdem wollten sie ein Gefühl der Hilflosigkeit und Ohnmacht verbreiten. Darum geht's in diesem Song. "Fortunate Son" ist ein sehr wütender Song über die Kinder reicher Eltern, die nie in den Kriegen kämpfen müssen, die ihre Eltern anzetteln, nur die Armen kämpfen in diesen Kriegen. Und da ich nicht reich und auch beim Militär war, war das etwas, was mich wirklich wütend machte.

Was uns zu Ihrer letzten regulären Platte bringt, "Deja Vu All Over Again", auf der auch einige explizit politische Aussagen zu finden sind. So vergleichen sie den Irak-Krieg mit dem Krieg in Vietnam. Das Album erschien ungefähr zur gleichen Zeit, als sie an der "Vote for Change"-Tour teilnahmen. Was empfinden sie jetzt, zweieinhalb Jahre später?

John Fogerty: Es ist eine schreckliche Situation, ein Albtraum. Der amerikanische Präsident hat sein eigenes Volk belogen und den Rest der Welt. Er und seine 'clinchmen', hauptsächlich reiche Genossenschaften, bereichern sich an dem Krieg. In anderen Worten: Er hat nicht auf eine reale Situation reagiert. Stattdessen hat er sich 'Fakten' ausgedacht um seine Argumente für den Krieg zu unterfüttern und die Unterstützung des amerikanischen Volkes und auch des Kongresses zu gewinnen. Es regt mich wirklich auf, dass wir unsere, oder irgendwessen Kinder vollkommen grundlos in den Tod schicken. Und darum geht's auf "Deja Vu...". Das hat mich schon die ganze Zeit während Vietnam aufgeregt. Und damals war ich jung, heute bin ich älter und fühle mich eher wie der Vater oder die Mutter. Sein Kind zu verlieren ist wohl die schrecklichste Erfahrung die man machen kann. Sein Kind in den Krieg schicken zu müssen, für eine Lüge, nur weil jemand habgierig ist, das ist einfach furchtbar.

Haben sie eigentlich ein Problem damit, dass die meisten Menschen ihre Songs kennen, viel weniger aber den Namen ihres Schöpfers?

John Fogerty: Natürlich wünsche ich mir, dass das anders wäre. Die Leute kennen "Proud Mary", sie haben wahrscheinlich schon mal von Creedence Clearwater Revival gehört, wissen aber nicht, dass John Fogerty der Schöpfer und auch der Sänger all dieser Songs ist. Das hat natürlich mit dieser hässlichen Geschichte mit Fantasy Records zu tun. Im Grunde war ich in einem Kerker gefangen. Sie wollten, dass ich mehr Musik mache, obwohl sie mich komplett betrogen hatten. Also sagte ich nein, aber das war beinahe der sichere Tod für meine Karriere (lacht). Und das nervt mich schon, schließlich war ich für viele Jahre unsichtbar. Und jetzt ist es meine Mission das zu ändern. Aber um es nochmal zu sagen: Es ist etwas, das ich akzeptiere. Ich akzeptiere es als Herausforderung. Wie bei einem sportlichen Wettkampf: Du hast es bis ins letzte große Spiel geschafft und schaust über das Feld und siehst, dass die anderen Kerle viel größer oder besser sind als du, aber du musst trotzdem dein Bestes geben, anstatt einfach aufzugeben und das Spiel sausen zu lassen. Aber das ist ja auch ein ziemlich wundervolles Problem! Immerhin kennen die Leute die Musik und sie lieben sie und das ehrt mich, schließlich weiß ich ja, wie viel ich damit zu tun hatte. Ich denke, wenn ich so weitermache, für die Leute spiele und Platten mache, dann werden die Leute auch lernen, wer ich bin.

Was haben sie eigentlich gemacht in der Zeit, in der sie 'unsichtbar' waren? Haben sie trotzdem geschrieben ohne es zu veröffentlichen, oder hatten sie eine richtige Schreibblockade?

John Fogerty: Beides. Ich habe mich sehr bemüht, jeden Tag Musik zu machen. Aber ich war wie ein verletzter Athlet: Ich litt zum Teil schon unter einer Schreibblockade, aber das, was ich machte, war auch nicht sehr gut. Ich muss sagen, ich habe mich sowieso nicht besonders gut gefühlt, aber ich will sie jetzt nicht mit all den Details langweilen. Ich war einfach deprimiert von meiner Situation. Von daher war das, was ich künstlerisch brachte, irgendwie nicht komplett, nicht wirklich stark. Das schien wirklich nicht der gleiche Kerl zu sein, der damals mit "Proud Mary" ankam. Und das war schon sehr hart für mich, mir meine Sachen anzuhören und sagen zu müssen: 'Hey, das ist nicht besonders gut!' Und das ging viele, viele Jahre so, was eine sehr frustrierende Angelegenheit ist. Aber ich muss sagen, es gibt da einen rettenden Gedanken, der über all dem steht: Wenn du weißt, dass du im Recht bist, dann kannst du daraus viel Kraft schöpfen. Und zu meinem großen Glück traf ich meine Frau Julie und wir haben eine Familie gegründet, was für mich das Wundervollste überhaupt ist, etwas sehr Heilendes. Wahrscheinlich ist es das, was "Long Road Home" bedeutet. Wenn ich anderen Leuten etwas sagen kann, dann das: Hör nie auf zu hoffen! Die Dinge können immer besser werden, wenn du deine Hoffnung am Leben hältst.

Wenn sie Sie so gut motiviert, ist sie dann auch eine gute Kritikerin?

John Fogerty: Oh ja, sie hat ein sehr gutes Gefühl für Musik, Songs und solche Dinge. Ich bin entzückt, wenn ich ihr etwas vorspiele und es gefällt ihr. Es wäre auch wirklich schwer dann zu sagen 'nein, es ist wirklich gut, du verstehst es einfach nicht!'. Ich muss dann wirklich noch ein zweites Mal draufschauen und mich fragen: 'Warum gefällt es ihr nicht?' Aber ich muss sagen, wenn es etwas ist, woran ich wirklich glaube, dann mag sie es meistens auch.

Wie wichtige ist ihnen die Interaktion mit anderen Musikern?

John Fogerty: Sehr wichtig! Wenn du allein für dich in einem Raum spielst, vielleicht mit einer Drum Machine, dann kannst du vielleicht sagen, ob die Grundidee was taugt oder nicht. Aber es fühlt sich nie wie eine richtige Band an. Da fehlt immer was. Aber wenn richtige Menschen zusammen spielen, dann ist das das Größte, dann erst bekommt es das Leben, die Energie und die Interaktion, die uns als Menschen wirklich anspricht.

Sie arbeiten gerade an einem neuen Album, oder?

John Fogerty: Ja, stimmt, wir sind gerade mittendrin.

Können Sie schon was darüber sagen?

John Fogerty: Nun, es ist Rock'n'Roll. Nichts Akustisches oder so, sondern guter, lauter Rock'n'Roll. Aber ich will lieber noch nichts über die Titel erzählen, in diesen Zeiten des Internets...

(In Auszügen zuerst veröffentlicht in den Nürnberger Nachrichten) [pg]


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