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[ << | Inhalt | >> ]Ausgabe #458 vom 17.10.2005
Rubrik Texte - lesen oder hören

Stephen Greenblatt "Wie Shakespeare zu Shakespeare wurde - Will in der Welt"

Hörbuch: Ein packender historischer Krimi? Ein packendes Sachbuch!
(3CD; Hoffmann & Campe)

Als ich mich an der Uni Köln entschied, ein Seminar über William Shakespeare zu belegen, erwartete ich trockene Fürze in der Bibliothek. Dass ich mit seinen Texten zwischen den Buchregalen wandelte, um mein Lachen zu kaschieren, mich dann wieder betroffen niedersetzte, um wenig später begeistert Shakespeares Wörtern nachzurecherchieren, das verblüffte mich. Und traf mich in Hirn und Herz. So manches Mal meinte ein Germanist, Besseres als den "Faust" gäbe es nicht. Jedesmal gewann ich den Wettstreit, wenn der den "Hamlet" gelesen hatte; einmal reichte auch der "Kaufmann von Venedig" oder eine der saftigen Shakespeare-Verfilmungen von Kenneth Branagh (wie "Viel Lärm um nichts", "Hamlet" oder "Othello").
Stephen Greenblatt predigt in meinem Fall also zum Chor, wenn er schon in seiner Einleitung feststellt: Shakespeares Werk ist das Größte, das die Literatur in den vergangenen 1000 Jahren vollbracht hat. Doch bei aller Begeisterung bleibt das höchste Enigma für Literaturwissenschaftler: Wer war das Hirn dieses gewaltigen Werks? "I long to hear the story of your life, which must take the ear strangely", sagt Alonso zum alten Prospero am Ende von "The Tempest". Shakespeare wusste, was für ein rasantes Leben er zu diesem Zeitpunkt bereits geführt hatte. Erzählt hat er diese Geschichte nie.
Prof. Stephen Greenblatt (Harvard University) füllt diese Lücke mit der Leidenschaft, Hartnäckigkeit, Verve und Unerbittlichkeit eines Sherlock Holmes. Zuallererst muss man da ran an die Quellen, den Fokus mal gröber ziehen, dann wieder in den Mikrokosmos einer einzigen Unterschrift unter ein Dokument eintauchen. Die Ergebnisse fügen sich nach und nach zu einem kohärenten Bild, wenn es auch viele Wenns und Abers, ja viele viele ungefüllte Leerstellen behält. Wir hören beispielsweise von "Ersten Kontakten mit Schauspielern in Kindheit und Jugend", "Aufstieg und Fall von Wills Vater John Shakespeare", "Die Ehe mit Anne Hathaway", "London und der Traum einer neuen Identität", "Greenes Vermächtnis und Shakespeares Figur Falstaff", "Der dritte Earl of Southampton und Shakespeares Sonette", "Hamlet und der Geist aus dem Fegefeuer", "Die Technik des radikalen Weglassens" bis hin zu "Tod und Testament Shakespeares".
Ich verspreche: Wer "Wie Shakespeare zu Shakespeare wurde - Will in der Welt" kennt, kann sich Tonnen vorhandener Sekundärlitertur schlicht ersparen. Stephen Greenblatt liefert ein packendes Sachbuch, das es mit einem historischen Krimi allemal aufnehmen kann. Der Historiker reicht hier dem Literaturwissenschaftler die Hand. Der Hörer fiebert mit bei Greenblatts Fakten, Schlussfolgerungen und Deutungen. Die leicht gekürzte Lesung durch Maria Hartmann und Stephan Benson auf 3 CDs ist ein vortreffliches Vergüngen.
Man muss kein Experte sein, um dies zu verstehen. Aber hinterher ist man einer. [vw: @@@@]


Verweise auf diesen Artikel aus späteren Ausgaben:


@@@@@ - potentieller Meilenstein: Starlight
@@@@ - definitives Highlight: Highlight
@@@ - erfreuliche Delikatesse: Delight
@@ - solides Handwerk: Solidlight
@ - verzichtbarer Ausschuss: Nolight


Permalink: http://schallplattenmann.de/a113732


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