Hinweis: Ihr Browser unterstützt nicht alle grundlegenden Web-Standards, und deshalb sehen Sie diesen Hinweis und das Layout nur in Auszügen. Bitte verwenden Sie einen aktuelleren Browser.

Keine Anzeige
LogoSeit 1996: Aktuell und unabhängig!

[ << | Inhalt | >> ]Ausgabe #699 vom 06.12.2010
Rubrik Feature

Klassische Weihnachtsmusik aus acht Jahrhunderten

Tis the season to be jolly... Wieder einmal habe ich die in den letzten Wochen erschienenen Neu- und Wiederveröffentlichungen in Sachen klassische Weihnachtsmusik durchforstet und habe viele gute Gaben, pardon, einige Tipps für den interessierten Leser herausgesucht. Heuer ohne Weihnachtsoratorium von Bach, dafür aber mit jeder Menge mehr oder minder gelungener Sampler mit den Schwerpunkten englische Christmas Carols und barocke Weihnachtskonzerte.
In diesem Sinne: Jauchzet! Frohlocket! [sal]


Various / The Sixteen "A Traditional Christmas Collection Volume II"

Renaissance/Barock/Romantik/Spätromantik – Traditionelle Christmas Carols aus sieben Jahrhunderten
(CD; Coro)

The Sixteen gehören in England zu den bekanntesten und beliebtesten Chören, nicht zuletzt wegen ihrer schönen Weihnachtsalben, die sie (fast) jede Adventszeit herausbringen. Dieses Jahr haben sie einen 2. Teil ihres erfolgreichsten Weihnachtsalbums "A Traditional Christmas Collection" (2006) veröffentlicht. Wie beim ersten Teil haben sie auf dem Album bekannte Christmas Carols ("Gabriel's Message", "In dulci jubilo", "O come, O come Emmanuel", "Adam lay ybounden") und unbekannte ("Cherry Tree Carol", "Gloucestershire Wassail") in schlichten, zurückhaltenden Arrangements aufgenommen; der Weltklasse-Chor wird, wenn überhaupt, nur von einer dezenten Orgel begleitet.
Wie schon zuvor, gelingt dem Ensemble unter der Leitung ihres Gründers Harry Christophers die Balance zwischen weihnachtlicher Feierlichkeit und geschmackvollem, kitschfreien Vortrag. Es steckt so etwas wie andächtige Bescheidenheit in diesen Aufnahmen und das ist bei weihnachtlicher Musik gar nicht mal so selbstverständlich. [sal: @@@@]


John Rutter / The Cambridge Singers · Royal Philharmonic Orchestra "A Song In Season"

20./21. Jahrhundert – (Nicht nur) Christmas Carols von und mit John Rutter
(CD; Collegium)

Der englische Chorleiter und Komponist John Rutter (*1945) ist einer der beliebtesten zeitgenössischen Komponisten Englands. Seine Werke gelten als konservativ, wer Klangexperimente und Atonales erwartet, der ist bei Rutter auf dem völlig falschen Dampfer. Auch mit dem neuen Album "A Song In Season" bleibt Rutter seinem Stil treu und präsentiert eine Art musikalische Reise durch das Kirchenjahr mit Carols, nicht nur für die Weihnachtszeit. Es gibt neben weihnachtlichen Songs auch ein österliches Stück, eines zu Pfingsten und eine Komposition, die gut in die Erntezeit passt.
Musikalisch erfindet sich Rutter auch auf diesem Album erwartungsgemäß nicht neu: Wohlklingende Arrangements und schöne Chorsätze, dazu Melodien, die ins Ohr gehen (mit unüberhörbaren Bezügen zur Light Music) und – wo nicht die Heilige Schrift die Textvorlage war – schlichte, bescheidene und menschenfreundliche Texte. Rutters Songs klingen so, als ob sie an das Gute im Menschen appellieren möchten. In ihnen steckt die Sehnsucht nach eine besseren Welt, also etwas, was viele Menschen in der Weihnachtszeit beseelt. [sal: @@@]


Various / Henschel Quartett "Merry Christmas - Traditional and New Christmas Music"

Barock/Spätromantik/Moderne – Traditionelle und neue Weihnachtslieder, kammermusikalisch arrangiert
(CD; Neos)

Wenn Kinderchöre bei Weihnachtliedern zum Zuge kommen, dann kann es sehr schnell sehr kitschig werden. Zwar erfreuen sich solche Aufnahmen ungebrochener Beliebtheit, sie wären aber nichts, was ich an dieser Stelle guten Gewissens empfehlen könnte. Bei der vorliegenden Charity-CD des renommierten Henschel Quartetts, offizielle Botschafter der SOS-Kinderdörfer, ist die Sache aber anders. Zusammen mit Sängern des Tölzer Knabenchors und Margot Scheurich-Henschel (Cembalo) und Frank Reinecke (Kontrabass) haben sie einige Weihnachtsklassiker ("O du fröhliche", "Stille Nacht") mit einigen barocken all-time-favorites ("Canon" von Pachelbel, "Air" aus Bachs Suite No. 3) und als Kernstück des Albums das "Weihnachtskonzert" (Concerto grosso op. 6/8 in g-Moll) von Arcangelo Corelli (1653-1713) kombiniert. Der Clou des Albums sind allerdings vier Weltersteinspielungen, die in einem Kompositionswettbewerb eigens dafür ermittelt wurden. Das Ergebnis ist ein abwechslungsreiches, kammermusikalisches Weihnachtsalbum geworden.
Ich gestehe, dass ich immer noch mit den 'klassischen' Weihnachtsliedern auf diesem Album meine Probleme habe; die vier Neukompositionen und die Leistung der beteiligten Musiker machen das aber wieder wett. Übrigens gehen 2 Euro von jeder verkauften CD an den SOS-Kinderdorf e.V. [sal: @@@]


Various / Vocal Concert Dresden · Dresdner Instrumental-Concert, Peter Kopp "Christmas at San Marco"

Barock/Spätbarock/Frühklassik – Venezianische Weihnachten 1767
(CD; Berlin Classics)

Venedig im Winter 1767: Baldassare Galuppi (1706-1785), der Kapellmeister der Kirche San Marco, schickt aus dem fernen Russland, wo er zwischen 1765 und 1768 auf Einladung von Katharina der Großen am russischen Hof in St. Petersburg weilt, eine eigens für die Weihnachtsgottesdienste an seiner eigentlichen Wirkungsstätte komponierte Messe, die von der Gemeinde begeistert aufgenommen wird.
Auf der neuen Weihnachts-CD des Vocal Concert Dresden lässt der ostdeutsche Spitzenchor unter der Leitung von Peter Kopp den Geist jener Wintertage in Venedig wieder aufleben. Gemeinsam mit dem angeschlossenen Dresdner Instrumental-Concert zelebrieren sie auf dieser CD typisch (spät-)barocke und frühe klassische Weihnachtsmusik aus Italien. Neben der "Messa San Marco" ist von Galuppi noch das "Te Deum Laudamus" und die Motette "Adeste Fidelis" zu hören, außerdem das "Kyrie in F" von Ferdinando Bertoni (1725-1813) und die "Sinfonia in G" von Gaetano Latilla (1711-1788). Ein feierlich-festliches, stellenweise überraschend heiteres Album. [sal: @@@]


Various / Kölner Kammerorchester, Christian Ludwig "Italienische Weihnacht"

Barock – Solokonzerte und Concerti grossi zur Weihnachtszeit aus Italien
(CD; Naxos)

Mit dem Etikett 'italienische Weihnachtskonzerte' (oder ähnlich) findet man in der Adventszeit zahlreiche mehr oder minder gelungene Sammlungen mit italienischen Barock-Konzerten (mit und ohne Solo-Instrument). Die jüngste Veröffentlichung dieser Art stammt vom Kölner Kammerorchester unter der Leitung von Christian Ludwig, dem jungen Nachfolger des langjährigen Leiters Helmut Müller-Brühl. Auf dem Album finden sich die oft in diesem Zusammenhang gespielten Werke von Francesco Manfredini (1684-1762), Antonio Vivaldi (1678-1741), Giovanni Battista Sammartini (1701-1775), Giuseppe Torelli (1658-1709), Pietro Locatelli (1695-1764) und eine Sonate des relativ unbekannten Pietro Baldassare (~1672-1746).
Das Gute an diesem Album ist nicht die Auswahl der zugegebenermaßen schönen Konzerte und Sonaten, sondern das beschwingte Spiel der Kölner Musiker bei einem flotten, aber nicht unangemessenem Tempo. Vor allem die Solisten Laura Vukobratovic (Trompete) und Daniel Rothert (Blockflöte) überzeugen und machen das Album, gerade im Budget-Segment, zu einer lohnenswerten Anschaffung und einer positiven Visitenkarte für das verjüngt wirkende Kölner Ensemble. [sal: @@@]


Johann Sebastian Bach · Felix Mendelssohn · Ralph Vaughan Williams / London Philharmonic Orchestra & Choir, Vladimir Jurowski "Cantata No. 63 · Vom Himmel hoch · The First Nowell"

Barock/Romantik/Spätromanik – Weihnachtliches vom London Philharmonic Orchestra
(CD; LPO)

Ehrlich gesagt hatte ich deutlich mehr von dieser CD des London Philharmonic Orchestra erwartet: Eine schöne Auswahl dreier weihnachtlicher Werke – Bachs Kantate No. 63 "Christen, ätzet diesen Tag" (sic!), Mendelssohns Kantate "Vom Himmel hoch" und vor allem Vaughan Williams Christmas-Carol-Sammlung "The First Nowell" – ließ auf ein echtes Highlight unter den diesjährigen Neuerscheinungen im Weihnachtssektor hoffen, doch eine unerklärlich schlechte Aufnahmetechnik und (im Falle Bachs) die Wahl der modernen Instrumente lassen die Highlights den Albums, trotz hervorragender Solisten wie Lisa Milne (Sopran), Andrew Staples (Tenor), nicht so recht zur Geltung kommen. Vor allem der Chor des LPO wirkt durch die breiige Aufnahmequalität seltsam kurzatmig, kaum verständlich.
Schade, mit etwas mehr Sorgfalt und zumindest einem deutlich reduziertem Orchester bei der Bach-Kantate wäre dies mein Überraschungstipp des Jahres in Sachen Weihnachten gewesen. So bleibt das Album nur knapp im Bereich vieler durchschnittlicher Veröffentlichungen. [sal: @@]


@@@@@ - potentieller Meilenstein: Starlight
@@@@ - definitives Highlight: Highlight
@@@ - erfreuliche Delikatesse: Delight
@@ - solides Handwerk: Solidlight
@ - verzichtbarer Ausschuss: Nolight


(cc) 1996-2016 Einige Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist unter einem Creative Commons Namensnennung-NichtKommerziell-KeineBearbeitung Lizenzvertrag lizenziert. Um die Lizenz anzusehen, gehen Sie bitte zu http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/de/.

http://schallplattenmann.de/artikel.html
Sprung zum Beginn der Seite