#252 vom 16.07.2001
Rubrik Neu erschienen
Pablo Casals "J.S. Bach - Cello Suites No. 1-6"
Historische Aufnahmen, technisch und musikalisch großartig –
(2CD; Naxos)
Historische Aufnahmen aus pre-digitalen, pre-stereoauralen Tagen scheinen in einer Zeit der perfekten digitalen Aufnahme mit technisch perfekten Interpreten geradezu anachronistisch. Oft genug begegnet man diesen grässlich rauschenden Aufnahmen auf den Supermarkt-Wühltischen und wenn der Preis zum Kaufen verführt, so ärgert man sich schon beim ersten Hören schwarz. Fortan verstaubt das vermeintliche Schnäppchen in den hintersten Reihen des heimischen CD-Regals.
Historische Aufnahmen können allerdings auch nahezu perfekt restauriert sein (nur, dass man sie dann nicht auf dem Supermarkt-Wühltisch findet), so wie bei den vorliegenden Aufnahmen aus den Jahren 1927-39, die von Ward Marston liebevoll mit den Mitteln modernster Technik bearbeitet worden sind. Was man auf dem vorliegendem Album zu hören bekommt, ist es allemal wert, der musikliebenden Nachwelt präsentiert zu werden, denn Pablo Casals Interpretation der Bach'schen Cello-Suiten sind schlichtweg begeisternd und von der ersten bis zur letzten Sekunde tief bewegend.
Mehr noch als seine technische Brillanz, die Variabilität seines Vibrato etwa oder die flexiblen Tempi, mehr noch als der wundervolle Klang, den er seinem Instrument zu verlocken vermag, wühlt Casals sehr persönliche Interpretation den Hörer auf. Casals versteht es, diesen schwierigen Noten Leben einzuhauchen, sein Leben, sie gleichsam zu seinen ureigenen Cello-Suiten zu machen. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass auch die tragischen Umstände deutlich hörbar sind, in die sich Europa in der Entstehungszeit dieser Aufnahmen immer mehr verstrickte. Casals, der Spanier und Republikaner nimmt in seinem Spiel, so meint man, die ganze Tragik jener Zeit vorweg – blutiger Kampf, Krieg, Vernichtung, Hoffnungslosigkeit – der überzeugte Anti-Faschist setzt dies alles um. Nie wieder sollten die Cello-Suiten so persönlich wirken, wie bei diesen zu Recht legendären Aufnahmen. Gänsehautmusik auch die kurzen Bonus-Zugaben, Bearbeitung Bach'scher Werke für Cello allesamt: Hoffnungslos traurig "Komm, süßer Tod" (BWV 478) und selbst die wohlbekannte "Air" aus der Suite No. 3 (BWV 1068) erklingt frei von vordergründiger Süßlichkeit. Die schönsten Klassikaufnahmen, die ich seit langer Zeit gehört habe. [sal: @@@@@]
Verweise auf diesen Artikel aus späteren Ausgaben:
<#586: Gemeinsames Dach> [mmh]
<#578: Mstislav Rostropovich / Various "Plays Cello Works"> [sal]
<#462: Johann Sebastian Bach / Truls Mørk "Cello Suites"> [sal: @@@@]
<#445: Johann Sebastian Bach / Glenn Gould "The 1955 Goldberg Variations - Birth Of A Legend"> [sal:Â @@@@@]
<#428: Johann Sebastian Bach / Maria Kliegel "Suiten für Violoncello solo"> [sal: @@@]
<#413: Johann Sebastian Bach / Christian Tetzlaff / Ralph Kirshbaum "Sonatas & Partitas for Solo Violin / Cello Suites"> [sal:Â @@@]
<#401: Johann Sebastian Bach / Paul Tortelier "Cello Suites No. 1-6"> [sal:Â @@@@@]
<#278: Pablo Casals "Beethoven, Brahms - Cello Sonatas"> [sal:Â @@@@]
<#275: Sal Pichireddu: Top Ten> [sal]
@@@@@ - potentieller Meilenstein: Starlight
@@@@ - definitives Highlight: Highlight
@@@ - erfreuliche Delikatesse: Delight
@@ - solides Handwerk: Solidlight
@ - verzichtbarer Ausschuss: Nolight
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