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[ << | Inhalt | >> ]Ausgabe #646 vom 05.10.2009
Rubrik Kolumne

Sal's Prog Corner #83

Quelle: http://www.igoogle.com

Trübe Aussichten beim Wetter (s. rechts) bedeuten in der Musik: Die Hoch-Zeit der Branche ist da. Kurz vor Beginn des lukrativen Weihnachtsgeschäfts (mit seinen berühmt-berüchtigen 'The Very Very Absolutely Super Best Of'-Samplern, die kein Mensch braucht) kommen in der Zeit von Ende August bis Ende Oktober noch einmal eine Reihe echter Neu- und Wiederveröffentlichungen auf den Markt. Wie so oft habe ich vorher das zu vernachlässigende Mittelmaß (fast komplett) ausgespart und berichte über Erfreuliches, Überraschendes und Schauderhaftes. Keep on proggin... [sal]


Verweise auf diesen Artikel aus späteren Ausgaben:


Jethro Tull "Live At Madison Square Garden 1978"

Progressive/Folk-Rock – Tull in ihrer Hochphase, in Bild und Ton (1978)
(DVD+CD; EMI)

Wenn ich bedenke, dass Jethro Tull gegenwärtig immer noch durch die Weltgeschichte tingeln, und dass die Truppe um Ian Anderson bei der Aufnahme der vorliegenden Video- (und Audio-)Aufnahmen von ""Live At Madison Square Garden 1978" schon zehn erfolgreiche Jahre auf dem Buckel hatte, dann bekomme ich einen Heidenrespekt vor dem Lebenswerk der Folkrock-Truppe, die sich wider aller Zeitgeist-Strömungen nie wirklich selbst verloren hat und auch heute noch unterhaltsame Konzerte auf die Bühne bringen kann (wenngleich natürlich auch in völlig anderer Besetzung).
Als Jethro Tull am 9.10.1978 im New Yorker Madison Square Garden aufspielten, war die Band auf dem Zenit ihres künstlerischen Schaffens und ihrer Popularität. Vor 20.000 Zuschauern absolvierten sie ein furioses Live-Konzert, das von der BBC (leider nicht ganz vollständig) übertragen wurde. Dennoch: Es war das erste Konzert, das überhaupt live aus den USA im britischen TV ausgestrahlt wurde. Diese Fernsehaufnahmen wurden, so gut es geht, digital überarbeitet und auf der vorliegenden DVD mitsamt 5.1-Sound zum ersten Mal offiziell zugänglich gemacht; die DVD enthält auch jene Tracks zu Beginn und zu Ende des Konzerts im 5.1-Mix, für die kein Video-Material vorliegt.
Die Bonus-CD enthält das vollständige Songmaterial im konventionellen Stereo-Mix (Teile dieser Aufnahmen wurden bereits auf den remasterten Wiederauflagen der einzelnen Jethro-Tull-Alben veröffentlicht).
In der mittlerweile etwas unübersichtlichen Videographie Jethro Tulls ist dieses Set gewiss eine der besten Veröffentlichungen, sowohl technisch, als auch künstlerisch ein echter Leckerbissen für Tull-Fans. An die Qualität des großartigen Live-Albums "Live - Bursting Out" (1978) kommen diese Aufnahmen zwar nicht heran, aber sie sind eine würdige Ergänzung. [sal: @@@]


Verweise auf diesen Artikel aus späteren Ausgaben:


Parzival's Eye "Fragments"

Artock – Solo-Projekt des RPWL-Bassisten Chris Postl
(CD; Red Farm)

Wie klingt das Solo-Projekt des RPWL-Bassisten Chris Postl (das P in RPWL), das er gemeinsam mit Musikern von Magenta, Pallas, Alan Parsons und – last, but not least – RPWL eingespielt hat? Nun, es klingt wie RPWL mit einem Hauch von Magenta, Pallas und Alan Parsons. Das liest sich jetzt abschätziger, als es gemeint ist, denn Postl und seine Mitstreiter haben auf "Fragments" ein atmosphärisch dichtes und schlüssiges Album geschaffen, wie ich es aus dem RPWL-Dunstkreis seit dem von mir immer noch geschätzten Debüt "God Has Failed" (2000) nicht mehr gehört habe. Statt überdeutlicher Pink-Floyd-Referenzen gibt es jetzt satte Symphonik mit schönen Chören und einem Hauch Alan-Parsons-Feeling.
Wer also die Alben der mittleren Alan-Parsons-Project-Phase, der späten Pink Floyd und der frühen Magenta mag, dürfte sich über dieses Album freuen: keine Offenbarung, kein Neues Testament, aber eine Mainstream-Scheibe, die über die gesamte Spielzeit trotz der 'herkömmlichen Rezeptur' gut hörbar bleibt. [sal: @@@]


Mouth "Rhizome"

Prog/Glamrock/Hardrock – Starkes Debüt
(CD; BluNoise)

Zu den interessantesten Scheiben, die mir in den letzten Monaten aus deutschen Landen auf den Tisch (bzw. in den Player) gekommen sind, gehört das Debütalbum "Rhizome" des Kölner Trios Mouth, auf dem eine sehr catchy Art des verschärften und gestrafften Progressive Rock mit Hardrock-Geschepper und Glamrock-Attitüde (und hie und da anderer 1970er-Einflüssen) zelebriert wird. Hui, so spaßig und dabei so kantig, so rockig, ein wenig rotzig und dann auch noch aus meiner Heimatstadt: Wer hätte gedacht, dass ich so etwas noch mal in dieser Güte zu hören kriege?!
Das Trio beruft sich auf Bands wie Gentle Giant, Genesis, Yes, Soft Machine und Hatfield And The North, doch in Wirklichkeit könnte man mit derselben Berechtigung Led Zeppelin, Deep Purple, David Bowie, Fish (!) und warum nicht auch noch T. Rex als Paten benennen: Die kratzig-kantige Gitarre mit einer ganzen Batterie von Fuzz-, Flanger-, Delay- und Was-weiß-ich-für-Effekten, die drolligen Retro-Keyboards und die gewagten Vocals (Ich mag sowas, das ist zumindest prägnant!) sorgen für ungestörten Mitt-Siebziger-Genuss. Wenn man sich jetzt noch traut, die Songs breiter anzulegen und den Zuhörer mal durchatmen zu lassen, dann bin ich spätestens beim nächsten Album vorbehaltlos glücklich. Aber auch so ist "Rhizome" eine sehr erfreuliche Delikatesse. Wann gibt es das live zu hören?
Anspieltipps: "Mutecontrol" und "The Balance". [sal: @@@]


Gösta Berlings Saga "Detta Har Hänt"

Progressive Rock – Düsterer Retroprog für Fans von King Crimson, Van Der Graaf Generator und Co.
(CD; Transubstans)

Düster, düster, düster: Schon das Debüt der Schweden von Gösta Berlings Saga "Tid Är Ljud" (2007) war bei mir eingeschlagen wie eine Bombe, nun packen die vier Stockholmer auf "Detta Har Hänt" noch ein gutes Stück Aggressivität, Dissonanz und Finsternis dazu. Das Album ist (endlich einmal) kein glatt gebügeltes Retroprog-Album von der Stange, sondern kantig und in jeder Sekunde der guten 50 Minuten Laufzeit authentisch. Folgerichtig assoziiert man "Detta Har Hänt" dann auch nicht mit den schwedischen Hochglanz-Produkten aus der Retro-Ecke, sondern mit den Originalen, insbesondere mit den düsteren und vielschichtigen Alben der Mitt-Siebziger von King Crimson und Van Der Graaf Generator. Die Vorgehensweise der Band war hierbei bemerkenswert: Zunächst hat man das Grundgerüst komplett im Studio live eingepielt und erst dann punktuell durch einige Overdubs (Mellotron, Pump Organ, Minimoog) ergänzt. So behielt die Band die spontane Dynamik bei und konnte durch die wohldosierten Overdubs Akzente setzen.
Anspieltipp: "Sorterargatan 3" – und wer sich davon hypnotisieren lässt, der darf auch die anderen Titel auf Myspace anchecken. Versprochen: Wer's düster mag, der kommt hier voll auf seine Kosten. Dies ist vermutlich das beste Retroprog-Album des Jahres. [sal: @@@@]


Verweise auf diesen Artikel aus späteren Ausgaben:


Sylvan "Force Of Gravity"

Artrock – Das siebte Studioalbum der Hamburger Formation
(CD; Sylvan)

Sylvan haben sich klammheimlich zur beständigsten und erfolgreichsten deutschen Artrock-Combo entwickelt. Gleichzeitig haben sie ihren zunächst Marillion-nahen Sound Stück für Stück modernisiert und verpoppt. Das neueste Update dieses Emanzipationsporozesses kann man sich nun auf ihrem siebten Studioalbum "Force Of Gravity" anhören.
Auf "Force Of Gravity" vereint das Quintett die 'Tugenden' der beiden Vorgängeralben, das epische "Posthumous Silence" (2006) und das poppige "Presets" (2007) und vielleicht liegt genau hier der Knackpunkt des nur soliden Albums: Vieles auf "Force Of Gravity" kommt mir auf Anhieb so bekannt vor, dass ich kaum glauben kann, es wirklich hier zum ersten Mal von der Band präsentiert zu bekommen. Mit zunehmender Laufzeit macht sich der Eindruck breit, dass Sylvan es auf dem Album allen recht machen wollten. Obwohl man mit neuem Gitarristen antritt, finde ich hier keine frischen Impulse. Wer also mit den vergangenen Alben von Sylvan gut zurecht kam, der wird vermutlich auch das neue Album akzeptabel finden; wer (wie ich) Sylvan ohnehin etwas zu mainstreamig findet, der wird auch an "Force Of Gravity" keine rechte Freude haben. Hörenswert ist allerdings auf jeden Fall der abschließende Longtrack "Vapour Trail".
Trotz persönlicher Vorbehalte: Professioneller arbeitet kaum eine andere deutsche Band. [sal: @@]


801 "Live (Collector's Edition)"

Artrock – Das Kult-Livealbum, remastert und erweitert (1976)
(2CD; Expression)

Als sich Roxy Music Mitte der 1970er Jahre kurzfristig auflösten (bzw. eine 'kreative Pause' einlegten), tat sich Roxy-Gitarrist Phil Manzanera mit seinem ollen Kumpel aus glorreichen Roxy-Frühjahren Brian Eno und einigen exzellenten Studiomusikern zusammen und formierte 801. 801 war eine echte Band, die auf einigen Festivals das Material aus Manzaneras (und Enos) Soloalben präsentieren sollte. Als die Band am 29.10.1976 einen Gig in der Londoner Queen Elisabeth Hall spielte, galten sie schon als eine der Sensationen der Konzert-Saison.
Das damals mitgeschnittene, schlicht "Live" betitelte Album wurde schnell zu einer Kultscheibe der 1970er, zu einem der wenigen Livealben, dem man echten musikalischen Wert zusprach. Dazu trug sicherlich bei, dass "Live" mit der damals neuen und aufwändigen 'Direct Injection'-Technik aufgenommen wurde. Der überragende Klang und die frischen und furiosen Improvisationen machten aus dem Album ein zeitloses Dokument der kunstvollen Artrock-Szene im Dunstkreis des 'Enfant Terrible' Brian Eno.
Die nun erschienene "Collector's Edition" enthält neben dem vollständigen Konzert auch die mitgeschnittenen Proben des Live-Sets, aufgenommen in den Shepperton Film Studios (!) im August desselben Jahres. Wenn man die Aufnahmen mit dem Live-Material vergleicht, vermittelt die Bonus-CD einen guten Eindruck davon, wie viel momentane Inspiration an jenem denkwürdigen Konzertabend in die Songs floss.
Zeitgleich mit der erweiterten "801 Live" sind auch die weiteren 801-Livealbum "801 Manchester", "801 @ Hull" und "801 Latino" wiederveröffentlicht worden. An den glorreichen Erstling reichen diese aber klanglich und künstlerisch nicht heran. [sal: @@@@@]


@@@@@ - potentieller Meilenstein: Starlight
@@@@ - definitives Highlight: Highlight
@@@ - erfreuliche Delikatesse: Delight
@@ - solides Handwerk: Solidlight
@ - verzichtbarer Ausschuss: Nolight


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