#702 vom 31.01.2011
Rubrik Live - Musik spüren
Xala, 22.1.2011, Kaufleuten, Zürich (CH)
Tanz auf dem Xylophon
Sie fand im Flamenco-Tanz keine weitere Entfaltungsmöglichkeit und erweiterte die Ausdrucksmöglichkeiten des Tanzes, indem sie tanzend Musik macht. Dafür hat Ania Losinger mit dem Schweizer Instrumentenbauer Hamper von Niederhäusern ein völlig neuartiges Instrument entwickelt, das Xala. Zu ihrer aktuellen Produktion wurden Ania Losinger und ihr musikalischer Partner Mats Eser durch ihre Auftritte im Rahmen der Weltausstellung in Shanghai inspiriert.
Streng steht sie da, die Stöcke wie Lanzen in den Händen; gleichermaßen amazonenhaft und unbewehrt, denn Ania Losinger schützt nur ein fester Blick. Ursprünglich Tänzerin, überträgt die Bernerin seit gut zehn Jahren die Tanzschritte auf ein gut zwei mal zwei Meter messendes Bodenxylophon, das Xala. Begleitet wird sie vom ebenso experimentierfreudigen Perkussionisten und Komponisten Max Eser. Er spielte unter anderem als Mitbegründer des Schweizer Schlagzeug Ensembles in den 1990er-Jahren ein Album mit Perkussionsinstrumenten aus Glas ein.
Stilistisch folgen Xala, wie sich das Duo nach dem Instrument nennt, dem minimalistischen Ansatz des Schweizer Schlagzeug Ensembles. Eser gibt meist den Grundrhythmus vor, den Losinger tanzend erweitert. Sie benutzt Flamenco-Tanzschuhe und zwei Stöcke, mit denen sie die jeweils unterschiedlich gestimmten Platten anschlägt. So kann sie von den dumpfen Klangfarben eines Stampftanzes bis hin zu metallisch-hellen Tönen eine ganze Bandbreite an Klängen abrufen. Dabei bleibt Losinger weitgehend der offensichtlichen Idee verhaftet, wie das Xala gespielt werden soll. Nur in einer Sequenz des ohne Pausen durchgespielten, einstündigen Programms deutet sie an, was sonst noch möglich wäre: Sie schabt mit den Sohlen über die Klangfläche und lässt die Schuhe über die Kanten der Klangstäbe klackern. Sie geht aber nicht so weit, sie mit Händen und Knien zu traktieren und auszuloten, welche Klänge mit Accessoirs wie Gürtel, Ketten oder Armreifen hervorzurufen wären. Es könnte eine nächste Stufe sein – vom Tanz über die Musik zur Performance. Losinger begnügt sich damit, die Stöcke gegen eine Variante auszutauschen, mit der sie nicht nur auf die Klangstäbe klopfen, sondern – entfernt vergleichbar mit Kastagnetten – klappern kann. Obwohl durch den Grundriss und die Anordnung der Tonflächen enorm eingeschränkt, bietet Losinger auch eine Tanzeinlage mit überdimensioniertem Fächer, die jedoch allzusehr dem Geist der Eurythmie verhaftet scheint.
Ania Losinger bietet schon allein durch die Erfindung des Xala eine neue Dimension in der Kombination von Tanz und Musik. Dass der Reiz des Instruments nicht in dessen Exotik begründet ist, hat sich längst gezeigt. Es wird spannend bleiben, wie Ania Losinger seine Möglichkeiten weiterhin auslotet. [noi]
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