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[ << | Inhalt | >> ]Ausgabe #548 vom 20.08.2007
Rubrik Kolumne

Sal's Prog Corner #65: Krautrock-Special, die Zweite

Vor etwas über einem Jahr stellte ich an dieser Stelle fünf exemplarische Wiederveröffentlichungen aus seligen Krautrock-Zeiten vor. Offenbar liefen die aufgepeppten Klassiker teutonischer Rockmusik gut genug, um nun einen weiteren Schwung historisch relevanter Alben zu wiederveröffentlichen, allesamt seinerzeit auf dem legendären Label Brain erschienen. Hier sind also erneut fünf lohnenswerte Re-Releases aus deutschen Landen (und aus alten Zeiten) und auch dieses Mal gilt: Viel Spaß beim Entdecken oder Wiederhören und keep on krautin'... [sal]


Verweise auf diesen Artikel aus späteren Ausgaben:


Eroc "Eroc 3"

Krautrock – Des Grobschnitt-Drummers dritter Streich (1979)
(CD; Brain)

Ausgerechnet in einer Zeit, als es für Eroc mit seiner Band Grobschnitt so richtig losging, also Ende der 1970er Jahre, verschaffte ein 'Zufallshit' seiner Solokarriere einen deutlichen Schub: "Eroc 3" ist das Album von Eroc mit dem Hit "Wolkenreise", der gleichermaßen Fluch und Segen für das Hagener Multitalent war. "Wolkenreise" war Chillout-Musik (würde man heute sagen) und wurde schnell zum Radiohit, zur Pausenmusik, zur allgegenwärtigen, allseits leicht verdaulichen Instrumental-Signatur in Zeiten, als es noch keine Warteschlangenmusik in Telefon-Anlagen gab. Was vorher unter seiner Mitwirkung entstanden war, wurde nahezu bedeutungslos, mehr noch: Das kantige, alberne, ironische Rock'n'Roll-Theater früherer Zeiten war explizit unerwünscht. "Eroc 3" steht genau in diesem Spannungsfeld zwischen massenkompatibler Banalität, hinreißender Improvisationskunst und zahlreichen Archivaufnahmen, die etwas planlos zu einem Album zusammengefasst wurden (was in gewisser Weise dann auch wieder sehr gut zum Wesen der Musik passte). "Eroc 3" ist kein musikalischer, aber ein historischer Meilenstein (drum enthalte ich mich einer Wertung).
Wie alle Wiederveröffentlichungen aus der Grobschnitt-Familie ist auch "Eroc 3" exquisit remastert und mit zahlreichen Bonustracks sowie einem informativen Booklet mit zig Fotos versehen.
Zeitgleich erscheint ebenso das Album "Eroc 4" (1982). [sal]


Verweise auf diesen Artikel aus späteren Ausgaben:


Cluster "Zuckerzeit"

Elektronische Musik/Krautrock – Das dritte Album der Herren Moebius und Roedelius (1975)
(CD; Brain)

Mit "Zuckerzeit" begann ein neuer Abschnitt für die beiden Elektronikpioniere Hans-Joachim Roedelius und Dieter Moebius: Rhythmusmaschinen, Synthesizer, dazu Orgeln, Klavier, E- und Hawaii-Gitarren (!) wurden zu einem so bis dato unerhört 'leichtem' Sound zusammengefügt, fern der typisch deutschen 'Schwere' und fern von ausufernder Langatmigkeit: Keines der Stücke überschreitet die 6-Minuten-Grenze wesentlich. So unterschiedlich die jeweils fünf Kompositionen der beiden Musiker sein mögen, der Titel "Zuckerzeit" ist in gewisser Weise Programm: Statt (über-)ambitionierter, schwerer (oder schwermütiger), bedeutungsschwangerer Klangkollagen herrscht so etwas widersprüchliches wie avantgardistische Leichtigkeit vor. Bei aller Experimentierfreudigkeit überrascht das Album mit freundlichen, süßen (nicht eklig-süßlichen!) Klängen. Genau die zeitlose Qualität dieser Kompositionen macht das Album heute noch absolut hörenswert.
Zeitgleich mit "Zuckerzeit" erscheint das zweite Album des Duos "Cluster II" (1972). [sal: @@@@@]


Verweise auf diesen Artikel aus späteren Ausgaben:


Harmonia "Musik von Harmonia"

Elektronische Musik/Krautrock – Cluster + Neu! = Harmonia (1974)
(CD; Brain)

Zwischen den Alben "Cluster II" und "Zuckerzeit" nahmen Hans-Joachim Roedelius und Dieter Moebius zusammen mit Michael Rother als Harmonia eines der wichtigsten Alben der deutschen Rockgeschichte auf: "Musik von Harmonia". Es war das Album einer wahrhaften Elektronik-Supergroup, die sich selbst die Kunst des Weglassens (und nicht die technische Aufrüstung via Sequenzer) verordnet hatte. Statt technischen Overkills herrschten Spontanität und Musikalität vor, die die drei Musikerpersönlichkeiten zu einer Einheit zusammenschmelzen ließen. Statt technischer Kälte und Sterilität interagieren die drei Musiker traumwandlerisch sicher miteinander und schufen zeitlos schöne Musik, die auch heute noch ihre Wirkung nicht verfehlt.
Brian Eno, selbst unüberhörbar von der deutschen Elektronik-Szene beeinflusst, bezeichnete Harmonia einmal als »die wichtigste Rockband aller Zeiten« (!).
Zeitgleich mit "Musik von Harmonia" erscheint der ebenso großartige Nachfolger "Harmonia De Luxe" (1975), beides sind essentielle Alben der (deutschen) Rockkultur. [sal: @@@@@]


Yatha Sidhra "A Meditation Mass"

Krautrock/Spacerock – Musik wie ein Trip (1974)
(CD; Brain)

Wenn es ein Album gibt, das archetypisch für das steht, was Krautrock in seinen Klischees ausmacht, dann ist dies vielleicht "A Meditation Mass" der Freiburger Formation Yatha Sidhra. Umso unverständlicher, dass das Album, das in der Hochphase des Kraut- und Progressive Rock erschien, von Kritik und Publikum weitgehend ignoriert wurde und seinen posthumen Kultstatus eher als 'Collector's Item' der schwer zu findenden Erstauflage verdankt. Dabei ist die darauf befindliche Musik hörenswert. Ja, "A Meditation Mass" ist drogenschwangere, indisch angehauchte, elektronisch verstärkte, kosmisch anmutende Meditationsmusik für einen gedankenverlorenen Trip in nebulöse Welten, aber genau das macht dieses Album aus. Es steckt etwas von spontaner und kindlicher Genialität in der naiven Einfachheit der Scheibe: So locker, so unbeschwert wird heute nur noch selten musiziert.
Produziert wurde das Album übrigens vom ex-Rattle und Part-Time-Krautrocker Achim Reichel. "A Meditation Mass" ist ein entdeckenswertes Stück vergessene Musikgeschichte. [sal: @@@@]


Faust "So Far"

Krautrock – Berühmt-berüchtigt: Dilettantisches Chaos oder geniale Speerspitze des Krautrocks (1972)
(CD; Brain)

Sie waren die typischen Propheten, die im eigenen Land nichts gelten: Die Hamburger Band Faust war eine Zeit lang die populärste Krautrock-Band im Ausland; speziell in England wurden Faust schnell zu der Kultformation. Hierzulande polarisierte die Band Publikum und Kritik lange: Den einen galt sie als eine dilettantische, völlig überschätzte Chaotentruppe, denen schlichtweg musikalische Fähigkeiten abgesprochen wurden (ähnliches war bei Amon Düül und Amon Düül II der Fall), den anderen galt Faust als die Speerspitze des Krautrocks überhaupt (mit Can vielleicht), innovativ und visionär.
Rückblickend hört man freilich gerade ihrem Zweitling "So Far" an, warum er anderswo so populär war und hierzulande (fast) nichts galt: "So Far" ist in gewisser Weise 'Anti-Krautrock' und undeutsch und klingt eher wie eine Mischung aus Velvet Underground, avantgardistischer Elektronik (der wohl deutschesten Zutat ihres Sounds), psychedelischer Musik und Vorläufern des britischen Punk, Industrial und New Wave (!). Eine wahrhaft einzigartige Mischung, die heute schlüssiger und geschlossener wirkt als auf die damaligen Zuhörer. [sal: @@@@@]


Verweise auf diesen Artikel aus späteren Ausgaben:


@@@@@ - potentieller Meilenstein: Starlight
@@@@ - definitives Highlight: Highlight
@@@ - erfreuliche Delikatesse: Delight
@@ - solides Handwerk: Solidlight
@ - verzichtbarer Ausschuss: Nolight


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