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[ << | Inhalt | >> ]Ausgabe #514 vom 11.12.2006
Rubrik Neu erschienen

Joe Zawinul & WDR Big Band "Brown Street"

Jazz-Rock – Der Darwin des Jazz spielt seine außerirdische Popmusik live!
(2CD; Intuition)

Auch in der Musik gibt es Evolution: The Beatles machten dem Jazz Anfang der 1960er Jahre den Garaus. Neben der Beatmusik drohte der Jazz sich aufzulösen. Mit dem Free Jazz passierte das auch, fast. Glücklicherweise entwarf der Keyboarder Joe Zawinul in den 1960ern mit Miles Davis etwas Neues, etwas Magisches, das den Jazz überleben ließ: »1966 realisierte ich, dass ich eine neue Musik spielte«, so Joe Zawinul im Interview, »aber ich habe mir keine weiteren Gedanken darüber gemacht.« Nur diese innovative Musik weiterentwickelt.
Mit seiner Band Weather Report schuf Zawinul in den 1970er Jahren dann eine Musik, die oft aus einem rasenden Rhythmus-Express bestand, aus ostinaten Bassläufen und simplen Melodien. Das klang einerseits archaisch, andererseits nach Science-Fiction. Wie Popmusik Außerirdischer. Diese neue Art zu musizieren brachte damals unerhört rauschhafte Emotionen hervor. Weltmusik!? Eine Sensation!
Einen frischen Eindruck dieser damals auf dem Planeten Erde neuen Musik bietet das jetzt erschienene Live-Album "Brown Street". Neben dem mittlerweile 74-jährigen Joe Zawinul spielen die ex-Weather Reporter Alex Acuña (perc), Victor Bailey (b) und der Schlagzeuger des Zawinul Syndicate, Nathaniel Townsley, samt virtuos agierender WDR Big Band.
Aufgenommen in Joe Zawinuls eigenem Jazzclub, dem Birdland in Wien, erklang am 26.10.2005 Zawinuls lange ungespielte 'Popmusik Außerirdischer'. Darunter "Black Market", "A Remark You Made", "Night Passage", "Procession", "Boogie Woogie Waltz". Auch "In A Silent Way" aus den Jahren mit Miles Davis gehört dazu.
Joe Zawinul stellt auf seinem neuen Live-Album wieder höchste musikalische Ansprüche – auch an sich selbst. Ob er mit 74 Jahren nicht schlaflose Nächte mit der Furcht verbringe, seine Finger könnten bald zu langsam sein für seinen Kopf? »Daran habe ich nie gedacht«, wehrt Zawinul ab.
"Brown Street" ist ein famoses Album. Auch eines, das alleine wegen Victor Baileys Stil Erinnerungen weckt an den vielleicht genialsten Bassisten aller Zeiten, den 1987 viel zu früh verstorbenen Jaco Pastorius. Zwischen 1976 und 1982 hatte jener sieben Alben mit Weather Report eingespielt. Später war Pastorius lange psychisch derangiert, drogengeputscht durch London geirrt, schließlich nach einer Schlägerei gestorben. Ob sich einer der Weather-Report-Mitglieder heute noch Vorwürfe mache, er hätte vielleicht helfen können? Joe Zawinul: »Überhaupt nicht. Wir waren wie Brüder für Jaco. Wir hielten Verbindung mit Jaco und seiner Familie, besonders in seiner schlechten Zeit. Trotzdem konnte niemand etwas machen.« Und: »Die Pastorius Familie wählte damals Wayne Shorter und mich aus, zusammen mit Jacos Brüdern seinen Sarg zu tragen.«
Dass Joe Zawinul nicht nur magische Fusion (jeder kennt "Birdland") entwickelt hat, sondern auch Pate des satten Rap-Beats sei, darauf beharrt er. Nachzuhören sei dies im Track "125th Street Congress" vom 1973er Weather-Report-Album "Sweetnighter", dessen Beat zuerst im Video "110 Feet Jesus" kopiert worden sei, so Zawinul. Dass es einen nahezu identischen Beat im von DJs gern gesampelten Track "Stratus" (auch 1973) von Billy Cobham gibt, mag allerdings nur Musikwissenschaftlern Migräne verursachen.
Zawinul ist überraschenderweise ein Inspirator des Gitarrenkönigs und Latin-Popstars Carlos Santana. In einem Interview prahlte Santana vor Jahren: »Joe Zawinul hat mir geraten, denk mehr, während du spielst.« Dies habe ihn sehr beeinflusst. Konfrontiert mit dieser Aussage sagt Zawinul heute: »Ich habe ihm eher geraten: Denk weniger!«, da müsse ein Missverständnis vorliegen. Nun, wer weiß, ob Carlos Santana in den vergangenen Jahren dermaßen erfolgreich gewesen wäre, hätte er weniger nachgedacht, was er da spielt. Wer immer Santana mal trifft, er sollte ihn aufklären über Zawinuls wahre Botschaft an ihn.
Was Joe Zawinul noch machen wird? Egal! Der zweifache Grammy-Preisträger hat auf "Brown Street" ein 40 Jahre umspannendes Kapitel Musikgeschichte für uns abgespeichert. [vw: @@@@]


Verweise auf diesen Artikel aus späteren Ausgaben:


@@@@@ - potentieller Meilenstein: Starlight
@@@@ - definitives Highlight: Highlight
@@@ - erfreuliche Delikatesse: Delight
@@ - solides Handwerk: Solidlight
@ - verzichtbarer Ausschuss: Nolight


Permalink: http://schallplattenmann.de/a115310


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