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[ << | Inhalt | >> ]Ausgabe #491 vom 03.07.2006
Rubrik Texte - lesen oder hören

Michaela Melián "Föhrenwald"

H̦rspielpreis der Kriegsblinden РDie wechselhafte Geschichte eines deutschen Stadtteils
(CD; Intermedium)

"Adolf-Hitler-Platz – Roosevelt Square – Seminarplatz": Eine unschuldige Kinderstimme sagt Straßennamen auf von damals und heute, und macht damit die Veränderung deutlich. Waldram, verschlafener Ortsteil von Edmund Stoibers Wolfratshausen, hieß damals Föhrenwald und war seit seiner Entstehung 1937 ein Lager – zunächst für Zwangsarbeiter des Dritten Reichs, nach dem Krieg dann Auffanglager für displaced persons, das heißt für jüdische Heimatlose, die die Tortur der Konzentrationslager überlebt hatten, und für Flüchtlinge – und nach 1956 Wohnsiedlung für Heimatvertriebene. Michaela Melián, die unweit des ehemaligen Lagers wohnt, konzentriert sich in ihrer Hörspielbearbeitung, die sich auf Originalberichte stützt, auf die Zeit zwischen 1946 und 1956. Die meisten der damals in Föhrenwald lebenden Menschen waren osteuropäische Juden, die auf die Ausreise nach Amerika oder Israel warteten. In Deutschland bleiben wollte wohl kaum keiner von ihnen: Was die Schergen des Dritten Reiches angestrebt hatten – ein judenfreies Deutschland – das war auch das Ziel dieser Juden.
Zwei Jahre lang hat Melián Zeitzeugen aus allen Epochen des Lagers befragt. Deren Aussagen werden im Hörspiel von Schauspielern gelesen, während Kinderstimmen offizielle Dokumente vortragen. Das ist vielleicht das beklemmendste (manche werden auch sagen ärgerlichste) an dieser Bearbeitung. "Föhrenwald" erhielt im Jahr 2006 den 'Hörspielpreis der Kriegsblinden', die höchste Auszeichnung für Hörspielkunst in diesem Land. Besonders gelobt wurde in der Begründung auch Meliáns Musik, die sie zusammen mit Carl Oesterhelt aus alten Schellackaufnahmen zusammenbastelte. Melián, Bassistin und Sängerin der Band F.S.K., hat es dabei geschafft, aus der Reduktion auf wenige Töne eine bedrückende Stimmung zu erzeugen. Dem Hörspiel (und der parallel von Melián inszenierten multimedialen Installation) kommt das Verdienst zugute, den Hörer auf ein Stück jüdisches Leben in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg zu erinnern – und an seltsam utopisch anmutende Lösungsversuche von damals. Oder weiß heute noch jemand, dass es Pläne gab, einen eigenen jüdischen Staat in Bayern aufzubauen? [tm: @@@]


@@@@@ - potentieller Meilenstein: Starlight
@@@@ - definitives Highlight: Highlight
@@@ - erfreuliche Delikatesse: Delight
@@ - solides Handwerk: Solidlight
@ - verzichtbarer Ausschuss: Nolight


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