#489 vom 19.06.2006
Rubrik Texte - lesen oder hören
Bertolt Brecht "Dramen"
Hörspiel – Sechs Theaterstücke adaptiert fürs Radio: Fünf-Sterne-Therapie
(10CD; Der Audio-Verlag)
Ich kenne da einen 13-jährigen, der wäre froh, wenn wir einen Audi A6 vor der Tür hätten; auch überlegt er, ob er nicht zur Bundeswehr gehen soll. Und mit seiner G-Star würde er am liebsten im Sommer einen Fünf-Sterne-All-Inclusive-Cluburlaub mit uns machen. Da unsereiner genau diese Form von Konsum in den 1980er Jahren von Herzen kritisieren lernte und in der einzigen Levis Interrail und dann Zivildienst machte, hoffe ich auf das letzte offene Fenster: Unser 13-Jähriger liebt Hörspiele. Kurz, er braucht Brecht! Gut, dass es da jetzt eine liebevolle, fette Box mit Hörspielversionen seiner Theaterknaller gibt. Und das steckt drin:
- "Trommeln in der Nacht", Hörspielversion von Radio Bremen (1964). Brechts erstes Theaterstück, das am 29.9.1922 seine Uraufführung in den Münchener Kammerspielen sah und Brecht den Durchbruch brachte.
- "Die Dreigroschenoper", Hörspielversion des HR (1968). Mit Horst Tappert (nicht als Derrick), Heidemarie Hatheyer. Brecht ließ sich von der legendären "Beggars's Opera" inspirieren, die 1728 in London Furore machte und Händel mit seinen Königs-Opern in eine tiefe Krise stürzte. Denn die neuen Helden auf der Bühne waren Gauner, Penner, Bettler. Die Uraufführung fand entweder am 28. oder 31.8.1928 im Berliner Theater am Schiffbauerdamm statt.
- "Furcht und Elend des Dritten Reiches", Hörspielversion des SWR (1967). Brecht schrieb an den 24 Szenen zur NS-Zeit, die er aus der Zeitung oder direkt von Augenzeugen entlehnte, 1935 im dänischen Exil.
- "Leben des Galilei", Hörspielversion des SWR (1967). Brecht schrieb "Leben des Galilei" um 1938 im dänischen Exil. Am 9.9.1943 würde das Stück in Zürich uraufgeführt. Darf ein Wissenschaftler umsetzen, was machbar ist? Darf er mit seiner Forschung das Selbstbild seiner Mitmenschen radikal umkrempeln? Darf man ihn zensieren?
- "Mutter Courage und ihre Kinder", Hörspielversion vom SWR (1949). Das politische Drama par excellence. Brecht zeigt: "Krieg ist eine Fortführung der Geschäfte mit anderen Mitteln". Von hieraus können wir eine direkte Linie zum Kriegsbusiness eines George Bush ziehen.
- "Der gute Mensch von Sezuan", Hörspielversion des ORF (1974). Die Götter suchen einen guten Menschen auf der Erde und finden als einzigen die Prostituierte Shen Te. Mit einer rührenden Sonja Kehler und einem begeisternden Klausjürgen Wossow(!). Brecht schrieb erste Entwürfe 1926, erst 1943 wurde das Stück im Schauspielhaus Zürich uraufgeführt.
@@@@@ - potentieller Meilenstein: Starlight
@@@@ - definitives Highlight: Highlight
@@@ - erfreuliche Delikatesse: Delight
@@ - solides Handwerk: Solidlight
@ - verzichtbarer Ausschuss: Nolight
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