#481 vom 24.04.2006
Rubrik Texte - lesen oder hören
John Twelve Hawks "Traveler"
Hörbuch – Trivialer Science-Thriller
(6CD; Random House Audio)
Im linken Auge der blauen Spiegelbrille steht ein Mensch vor der untergehenden Sonne. Drauf steht in weißer Schreibschrift "Traveler". "Viel besser und sehr viel spannender als das 'Sakrileg'!" jubelte die Washington Post. Ex-Justizministerin Sabine Leutheuser-Schnarrenberger attestierte, Hawks "Traveler" sei in der Darstellung eines Ãœberwachungsstaats mit Orwells "1984" zu vergleichen. Der Verlag legt die Latte hoch: "Für alle Fans von '1984', 'Schöne neue Welt', 'Matrix' und 'Blade Runner' ein Muss!" Der Autor, der – wie einst B. Traven oder Thomas Pynchon – nicht in Erscheinung treten möchte, ließ in einem per Satellitentelefon geführten Interview verlauten: "Ich lebe außerhalb des Rasters. Wer ich bin, und was ich gemacht habe, spielt keine Rolle. Mein Name ist John Twelve Hawks. Der 'Traveler' spricht für mich."
Das ist mysteriös! Da gruselt's schon im Vorfeld! Nach dem Hören der knapp siebenstündigen, leicht gekürzten Lesung von Heikko Deutschmann macht sich Ernüchterung breit. Obschon die Story an sich gut ist: Maya ist eine einsame Kriegerin der Harlequins, in direkter Nachfolge von Petrus. Die Harlequins beschützen seit Jahrtausenden die sogenannten Travler, die den Menschen von Freiheit künden. Jesus war so ein Traveler. Maya erhält den Auftrag, die heute letzten überlebenden Traveler, die Brüder Michael und Gabriel Corrigan, zu beschützen. Denn die Bruderschaft der Tabula, die unbemerkt die Kontrolle über unsere Gesellschft übernommen hat, strebt seit Jahrtausenden die Ausrottung der Traveler an, um ungestört regieren zu können. So weit, so gut.
Leider sind die Kampf- und Actionszenen des Autors – der sich zwischendurch als Schwertkämpfer geoutet hat – hier dermaßen dominant, dass in der Tat ein Vergleich mit "Sakrileg" angebracht ist: Das ist trivial. Mit dem hochenergetischen "1984" von Orwell, Margaret Attwoods "Report der Magd", "Blade Runner" oder "Die drei Stigmata des Palmer Eldritch" von Philip K. Dick hat dies nichts zu tun. Schade. Das Cover finde ich okay. Aber: "You can't judge a book by its cover!"
Warten wir also auf den ersten Autor, der das jüngst veröffentlichte Judas-Evangelium actionprall ausschlachtet. Ich setze da auf unseren guten alten Michael Crichton. [vw: @@]
@@@@@ - potentieller Meilenstein: Starlight
@@@@ - definitives Highlight: Highlight
@@@ - erfreuliche Delikatesse: Delight
@@ - solides Handwerk: Solidlight
@ - verzichtbarer Ausschuss: Nolight
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