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[ << | Inhalt ]Ausgabe #329 vom 10.02.2003
Rubrik Feature

Wie man mit Jazz die Herzen der Käufer gewinnt

Ãœber die Roman-Soundtracks von Joseph von Westphalen

"Jetzt hab' ich's: Sie müssen Diskjockey werden!", schreibt die nüchterne Britin Elizabeth Peach an ihren Freund Harry von Duckwitz. Der ex-Diplomat sitzt nach seiner plötzlichen Entfernung aus dem diplomatischen Dienst in der Eifel, einem Landstrich bei Bonn, und gibt sich seinen Obsessionen hin: den Frauen und dem Sammeln von Jazzaufnahmen. Der Mittvierziger und vor allem seine Freundinnen merken nach einigen Jahren Frühpension, dass das Leben noch andere Aufgaben als Müßiggang und Jazz bereit halten könnte. Die Empfehlung seiner britischen Freundin hat er nicht angenommen.
Der Autor hingegen hat seine Romanfigur erhört. Er ist zwar nur Gelegenheits-DJ geworden, hat aber eine andere musikalische Stärke seines Helden Harry von Duckwitz aufgegriffen. Der beglückt seine Geliebte mit Mix-Kassetten – und so hat auch Joseph von Westphalen 1999 eine Jazz-Compilation herausgebracht. Die nannte er einen Roman-Soundtrack, schließlich haben die Stücke einen Bezug zur Roman-Trilogie. Diese putzige Idee war so erfolgreich, dass mittlerweile die dritte Folge erschienen ist. Hinter reißerischen Titeln wie "Jazz macht Frauen Beine" oder "Wie man mit Jazz die Herzen der Frauen gewinnt" verbirgt sich eine wahre Pracht altmodischer Jazz-Einspielungen, denn der Autor ist bekennender Swing-Fan. Die Auswahl der CDs reicht von den Zwanziger- bis zu den Vierziger-Jahren. So finden sich neben Duke Ellingtons Swing-Klassikern wie "Caravan" oder "It Don't Mean A Thing..." zahlreiche relativ unbekannte Einspielungen. Es ist eine prächtige Parade, mit den besten Musikern der Zeit. Doch auch wenn Artie Shaw, Duke Ellington, Benny Goodman oder Fats Waller ganz selbstverständlich vorkommen, protzen die Zusammenstellungen nicht mit Standardtiteln großer Namen.
Joseph von Westphalen ist auch mit der neuesten Compilation "Jazz macht Frauen Beine" weit davon entfernt, eine massenkompatible Best-Of zu liefern. Das macht ihren besonderen Charme aus – und ist vielleicht auch der Grund für den außergewöhnlichen Erfolg der Reihe. Sein Interesse ist auch nicht der unverrückbare Kanon, er erklärt nicht die herausragend-unverzichtbaren Stücke des Swing. Seine Auswahl ist eine persönliche – den Helden seiner Romane in den Mund gelegt. Natürlich kommt Westphalen um die Klassiker nicht herum – weder was die Kompositionen, noch was die Künstler angeht. Das muss er auch nicht. Aber Westphalen präsentiert auch Musiker wie Russel Jacquet, Midge Williams oder Charlie LaVere. Und wenn Louis Armstrong aufspielt, singt und scattet, dann nicht mit einer glattgebügelten Version von "I Can't Give You Anything But Love", sondern mit einer der wahrscheinlich rauesten und verzehrendsten Versionen des Songs, die man je gehört hat. So steckt das Doppelalbum voller Perlen – insgesamt 54, von Stuff Smiths "Big Wig In The Wigwam" über Louis Armstrongs "Peanut Vendor" bis hin zu Charlie Parkers "Romance Without Finance". Klar kann man die Notwendigkeit in Frage stellen, dieses Stück auf einer Doppel-CD gleich in sechs Varianten anzubieten, da ist wohl doch der Jazz-Berserker in ihm durchgegangen. Allerdings mildert seine Auswahl diesen kleinen Fehltritt, die Interpretationen sind so unterschiedlich wie interessant.
Und seien wir doch überhaupt froh, dass sich Joseph von Westphalen nicht in der Manier von Popsängern wie Robbie Williams oder Rod Stewart hinters Mikrofon gestellt hat, um die Lieder des "Great American Songbook" als Frank-Sinatra-Klone einzusingen. Stattdessen unterhält der Schriftsteller seine Käufer – und auch die Käuferinnen – mit Kürzestgeschichten und erfindet neue Szenen und Dialoge zu seinen Romanen. So ist "Jazz macht Frauen Beine" – wie auch die beiden anderen CDs der Reihe – nicht nur vergnüglich zu hören, auch die Booklets sind unterhaltsam zu lesen. Und während sein Publikum liest, entdeckt er – ob für ihn selbst oder seine Liebsten kann uns dabei egal sein – hoffentlich noch fleißig weitere altmodische Jazz-Kleinode, die er dann für die Öffentlichkeit 'brennt'.
Joseph von Westphalen "Wie man mit Jazz die Herzen der Frauen gewinnt" (4CD)
Joseph von Westphalen "'Mehr Jazz!', sagten die Frauen" (2CD)
Joseph von Westphalen "Jazz macht Frauen Beine" (2CD)
Joseph von Westphalen "Im diplomatischen Dienst" (Roman)
Joseph von Westphalen "Das schöne Leben" (Roman)
Joseph von Westphalen "Die bösen Frauen" (Roman)
Joseph von Westphalen "Der Liebessalat " (Roman) [ms]


Verweise auf diesen Artikel aus späteren Ausgaben:


Permalink: http://schallplattenmann.de/a110028


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