#324 vom 16.12.2002
Rubrik Neu erschienen
Eßwein "Kopflos"
Bänkelsänger
(CD; Hausemaster)
Studenten (bevorzugt Sozialpädagogik, Evangelische Religion oder Philosophie) sitzen bei einem gepflegten Mate-Tee auf dem Boden, lauschen Eßwein und nicken verständig. Ja, lieber ein kleiner Furz, der was bewirkt, als ein lauter ohne Duft ("Viel zu laut"). Mit solchen Bildern kann man was anfangen, da rattert es nur so in der Assoziationskette. Aber halt, warum freut der sich so, dass Schlachttag ist ("Samstagmorgen")? Nee, du, das find ich nich' in Ordnung. Selbst die Liner-Notes lassen keine Spur von Ironie erkennen – dem macht das wohl wirklich voll Spaß. Okayer ist da schon das bissige "Ich liebe dich". Hier muss man auch ein paar Mal hinhören, aber dann stellt sich die Erleichterung ein: Der Eßwein will der Frau gar nicht weh tun, der hält der Gesellschaft nur den Spiegel vor, du!
Jetzt aber ernsthaft: Ralf Eßwein macht es dem Hörer nicht leicht. Seltsame Liedchen wechseln sich ab mit gelungenen Lyrik- und Ideensplittern, die es wert sind eingehender betrachtet zu werden. Musikalisch werden die 16 Songs von schöner Flügelbegleitung getragen und mit Saxophon, weichen Gitarren und Percussion abgeschmeckt. Seine Stimme klingt, als wäre sie dafür ausgebildet im Chor oder als Solist auch ohne Verstärker einen Raum zu füllen. Mein ehemaliger Chorleiter würde jubeln. Jeder Ton wird gestützt, jede Endung sauber abgesungen. Auch wenn "rezitieren" im Wortsinn nicht hundertprozentig passt, das trifft es eher als "singen". Trotz meiner musikalischen Zuneigung zu ähnlich gelagerten Künstlern wie Wiglaf Droste und Funny Van Dannen gelingt es mir nicht, dieser Platte mehr als unschlüssige Anerkennung abzuringen. Sorry! [dmm]
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