Ausgabe #293 vom 06.05.2002
Rubrik Texte - lesen oder hören
Bernhard Schlink, Walter Popp "Selbs Justiz"
Hörbuch: Cooler Krimi zwischen Madonna- und Nazi-Zeit
(Hörbuch Hamburg)
"Deutsche Schriftsteller? Kissenpuper!" Ja, das denke ich jedesmal, wenn ich einen neuen anteste. Da ist der so verkrampft überschätzte, bis ins Heilige gesteigerte Grass, und der jetzt in der "Bunten" wegen blonder Partnerin abgebildete Peter Handke. Heiner Müller? Graue Milch. Christa Wolf? Ich weine gleich! Bernhard Schlink? Ja, den mag ich, der kann erzählen! Neben seinem international erfolgreichen, exquisiten, bis in Professoren-Stuben anerkannte Büchlein "Der Vorleser", schrieb er immer auch Krimis.
Sein Mannheimer Privatdetektiv Selbs, 68, ein alter Sack, geläuterter ex-Nazi-Staatsanwalt, hat Ende der 1980er Jahre eine harte Nuss zu knacken: Ein Chemiekonzern beauftragt ihn, einem Computer-Hacker das Handwerk zu legen; bei den Recherchen stolpert Selbs über seine eigene Nazivergangenheit, die sich 40 Jahre danach plötzlich dramatisch umdeutet. Zwei Morde geschehen. Selbs greift im Stillen extrem durch. Schlinks kenntnisreiche Beschreibungen von Selbs und dessen Gesprächen mit Sekretärinnen und Firmenchefs geben seiner intelligenten, lockeren Schreibe einen coolen Schuss Authentizität.
Der kernige Schauspieler Hans Korte liest den Kriminalroman auf sieben CDs in 487 Minuten ungekürzt, dass es eine Freude ist: Wir hören Privatdetektiv Selbs in der Ich-Perspektive erzählen. Absolut empfehlenswert. [vw]
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