#265 vom 15.10.2001
Rubrik Feature
Placebo, 8.10.2001, Fürth
Es gibt vermutlich Konzertstätten, die noch nüchterner sind als die Fürther Stadthalle. Es fallen mir nur im Moment keine ein... Doch an diesem milden Herbstabend wurden Saal und Stadt, die akustisch sonst für eine eher herbe Spielart des fränkischen Dialektes berüchtigt ist, unzweifelhaft Glamour verliehen. Und das von einem Mann, den Einheimische vermutlich spontan als 'zoarts Bürschla' (= zarter Jüngling) bezeichnen würden. Obwohl Placebo-Sänger Brian Molko ganz in schwarz gewandet die Bühne betrat. Auch für den Rest der Band und den des Abends galt: kein Glitzer, keine Allüren, keine wilden Posen. Ein zusätzlicher vierter Musiker wurde gar dezent im Hintergrund versteckt.
Aber diese Stimme. Ob Rock oder Ballade (herausragend: "My Sweet Prince"): Leidenschaft pur. Ausstrahlung, die sofort anzieht, mit wenig Gesten viel Star-Appeal erzeugt. Ein sehr dunkler Stern allerdings. "I was never loyal/ except to my own pleasure zone/ I'm forever black-eyed/ a product of a broken home." ("Black Eyed") Voll jener düsteren, oft leicht selbstzerstörerisch anmutenden Energie, die auch die besten Musiker aus den Hochtagen des Glam Rock auszeichnete. Und nach furiosem Einstieg, perfekter Pflichtübung bei Ablieferung der Hits, wie "Every You And Every Me", aber leider leichtem Abflachen in Einheitsrockmelange im Mittelteil, zeigen Placebo dann gerade bei den (ruhigeren) Zugaben, dass die hochgelobten Songs ihres dritten Albums ("Black Market Music") auch live in dieser verblüffend düsteren Eleganz strahlen können. Ein musikalischer Beweis dafür, dass die Farbe Schwarz leuchten kann. [ut]
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