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[ << | Inhalt | >> ]Ausgabe #254 vom 30.07.2001
Rubrik Live - Musik spüren, Artikelreihe Willy DeVille, 19.7.2001, Jazzfest Wiesen, A

Neil Young & Crazy Horse, 19.7.2001, Jazzfest Wiesen, A

Abstrakte Kunst? Free Jazz? Young and only Young!

Anstrengend, aber nicht langweilig! Das unausgesprochene Motto schien zu sein: Ihr wollt meine Songs hören, die ihr und wir eh alle bereits so gut kennen? Okay, ihr bekommt, was ihr hören wollt... dazwischen!
Aber der Reihe nach. Young eröffnete das Set mit einem kurzen, kompakten "Don't Cry No Tears", als ob es – rückblickend betrachtet – eine Warnung an das vom heftigen Regen durchnässte Publikum war. Nachdem das Gewitter während seines Sets stoppte, entluden die alten Herren ein brachiales Soundgewitter. "Love And Only Love" gab als zweiter Song bereits die Marschrichtung vor: Ausufernde Gitarrensoli, die Zeit schien da stehen zu bleiben, es war die Ewigkeit und doch nur ein kurzer Moment alles übertönender Schönheit. Frank "Poncho" Sampedro (g), Billy Talbot (b) und Neil Young standen meistens im Kreis, und nur Ralph Molina (dr) blieb außerhalb beim gemeinsamen Zerlegen der Songs, um – nach einer langen Reise – zurückzukehren in die vertraute Struktur, die vertrauten Textzeilen.
Aber es blieb nicht alles elektrisch geladen: Die Pferde pausierten und Young griff zur akustischen Gitarre und zur Harmonika, verwirrte indes dennoch mit einer tiefer gestimmten Gitarre, die noch dazu ordentlich schepperte. Hat auch was. Zumindest wenn man Neil Young heißt. "From Hank To Hendrix" und "Pocahontas" (als Tribut an den verstorbenen Jack Nitzsche) schwankten zwischen tiefer Beklemmung und seltener Schönheit. Bei "Long May You Run" setzte er sich an die Orgel und dieses Highlight kam schon einem Requiem gleich. Gänsehautgarantie!
Aber zurück zur Elektrowucht. Klar durften "Hey Hey My My" und "Rockin' In The Free World" nicht fehlen, und überraschenderweise klangen selbst diese Bilder keineswegs abgelutscht, der Zahn der Zeit ging da unbeachtet vorüber, die Vehemenz der Darbietung war noch eine Steigerung gegenüber dem Live-Album "Weld" (1991), also noch lauter, noch schneller, noch wüster. Und das, obwohl sie inzwischen noch älter geworden sind. Kaum zu glauben.
Und dann wurden noch schnell Wetten abgeschlossen, zu welchem Song das Schlagzeuggewitter und das Gitarrengedröhn gehörten. Einer sagte "Blowin' In The Wind", ich meinte "Like A Hurricane" und nachdem sich die Bestandteile ordentlich zusammenfügten, tauchte ein laues Winderl und die ewige Textzeile "I'm just a dreamer, but you are just a dream" auf (verdammt: Ich hätte doch wetten sollen!) und nach der Langsamkeit steigerte sich dieser Klassiker tatsächlich zu einem Hurricane. Diese Version stellt wohl alle bisherigen Versionen in ein dunkles Eck, lässt alles vergessen. Diese Naturkatastrophe, die ja gleichzeitig ein Liebeslied ist, endete, wie sie begann: Im Lärm. Dazwischen war das Lied, davor und danach eine neue Komposition. Free-Jazz heißt das im Jazz, wie nennt man sowas bloß in der Rockmusik? Eine große Abstraktion, eine Fabel, mächtige Gitarrenstürme und endloses (Liebes?) Leid. Da blieben die Münder nur mehr weit offen und die Sprachlosigkeit hatte plötzlich ihren Sinn.
Neil Young hatte ihn auf – ich hätte ihn gezogen: den Hut. Hut ab! Einzigartig schön, aber anstrengend! [mh]


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