#239 vom 26.03.2001
Rubrik Feature
Willi Winkler "Bob Dylan. Ein Leben."
Noch ein Buch über Dylan. Schön respektlos und so.
(CD; Fest, Berlin)
Vorab: ich kenn' den Willi nicht, auch wenn er aus meiner Generation ist und ein Namensvetter dazu. Über manche seiner Texte in der "Süddeutschen" hab ich auch schon geschmunzelt: so wie er mit der Sprache umgeht, wild, ungehobelt und seltsam mitunter. Naja. Und jetzt 200 Seiten über Dylan, mit einem strunzdoofen Sticker auf dem Umschlag: "60. Geburtstag am 24. Mai 2001" Hihihi, Kommerz? Willi!?
Im Gewaltmarsch hab ich mich durch das Buch gearbeitet, am Montag kam das Päckchen an. Erst wollte ich das Machwerk an die Wand schmeißen, der Stil vom WW erschien mir zu rotzig, schnodderig auf eine unvertretbar ärmliche Weise. Tja, der Deutsche ist ja ach so gerne bereit, vor einem Denkmal den Hosenschlitz aufzumachen und hemmungslos dranzupinkeln. Dachte ich. Aber Winkler wird immer dann ziemlich gut, wenn er zu den biographischen Rahmendaten und Döntjes aus der Lebensgeschichte des Stars seine höchst persönlichen Erlebnisse und Gefühle beisteuert. Klar, der Plattenstar und Musiker und Mensch Dylan ist das eine. Aber wir Plattenkäufer und Konzertgeher und Bootlegsammler sind das andere. Wir kommen unserem Dylan ja nie näher als bis zur Absperrung vor der Bühne. Und damit wächst in uns auch eine Haltung und Interpretation, die selten druckreif ist. Und – danke Willi – hier ist das endlich mal ausgesprochen, so wie man eben mit Freunden darüber redet... Und man kann Dylan als Gesamtkunstwerk lieben, auch wenn man "Baby Stop Crying" für eines der erbärmlichsten Lieder hält, das Dylan je geschrieben hat. Und wenn man viele seiner Äußerungen ("Saved" und folgene Irrungen) für ausgemachten Blödsinn hält. Ist halt so...
Ein unbedingt lesenswertes Werk.
Treffen wir uns zu "one more cup of coffee", Willi, vielleicht in Steinbach-Langenbach, diesen Sommer? [www]
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