#202 vom 26.06.2000
Rubrik Tipp der Woche
Omar Sosa "Bembon"
Jazz? – eher ein versponnener Traum
(CD; Skip)
Eine endlose Karawane alter Männer und Frauen zieht an uns vorüber. Sie singen, tanzen, spielen ihre schönen alten Weisen, wackeln kokett mit den Hüften und rauchen dicke Zigarren. Und wir beklatschen sie mit liebevoller Begeisterung, in der Hoffnung, etwas von ihrem Lebenselexier abzubekommen. Währenddessen geschehen auf einer fernen Insel, der Heimat dieser lieben alten Leute, gar seltsame Dinge. Tief im Landesinneren, dort, wohin sich nie ein Tourist verirrt, sitzt ein Schamane am Klavier und zaubert. Seine flinken Finger lassen die unglaublichsten Tonfolgen in atemberaubender Geschwindigkeit wie kleine Wasserfälle aus dem Instrument purzeln, lassen sie in schwindelerregende Höhen schnellen und in schelmischen Akkorden zusammenbrechen. Nebenbei dirigiert er das verrückteste Orchester, das die Welt nie gesehen hat. Karibische und lateinamerikanische Rhythmen treiben messerscharfe Bläsersätze in den Wahnsinn, während betörende afrikanische Frauenchöre von Debussy-vernarrten Streichern umgarnt werden. Plötzlich kommt ein Hoodoo-Meister mit Baseball-Mütze (Schirm nach hinten) des Weges und rappt für die Geister der Verstorbenen und irgendein Verrückter lacht dazu ein zahnloses, krächzendes Lachen.
Hat hier einer nach Stilistiken gefragt? Du Narr, diese Musik ist ein surrealer Traum, ein Tanz auf dem Vulkan, eine Vision des Thelonious Monk, von Dali gemalt und von Omar Sosa vertont. Du erwachst mit einem Lächeln auf den Lippen. [pg: @@@@@]
Verweise auf diesen Artikel aus späteren Ausgaben:
<#414: Omar Sosa "Mulatos"> [pg:Â @@@@]
<#241: Omar Sosa "Prietos"> [pg:Â @@@@]
<#227: Points Highlights 2000>
@@@@@ - potentieller Meilenstein: Starlight
@@@@ - definitives Highlight: Highlight
@@@ - erfreuliche Delikatesse: Delight
@@ - solides Handwerk: Solidlight
@ - verzichtbarer Ausschuss: Nolight
Permalink: http://schallplattenmann.de/a105240