#189 vom 13.03.2000
Rubrik Neu erschienen
Chris Whitley "At Martyrs'"
Live-Album des ewigen Geheimtip-Bluessängers
(CD; Ulftone)
Schade. Der Mann sieht fertig aus. Mit sich und der Welt. Schau dir diese Augen an: welcher Drogencocktail hat das Gesicht umgepflügt? Von welchem Martyrium erzählt uns das Foto? "It's Hard Living With The Law"? "Narcotic Prayer"?
Er macht im Prinzip seit seinen Anfängen das Gleiche: spielt eine wilde Gitarre, meist eine Dobro/National Steel in schrägen offenen Stimmungen, stampft dazu mit den zerschlissenen Cowboyboots den Takt und brüllt sich die Texte aus dem Leib. So hab ich ihn auf der Tour 1991 sein zuerst noch weißes Unterhemd durchschwitzen sehen und hören(!). Das Hemd ist immer noch von der gleichen Art, so ist auch diese Platte, live in Chicago im August 1999, schwitzig, intensiv, giftig. Die Stücke stammen aus seinen vorangegangegen Alben. Sony hatte ja mal versucht, ihn zwei CDs lang zu einem artifizielleren Musizieren hinzubiegen. Aber das gefiel weder Whitley noch seinen Zuhörern. Einen Unterhemdmann steckt man in keinen Anzug. Doch eine gewisse Eintönigkeit macht sich breit, klar, die Akkorde wiederholen sich Stück für Stück. Und plötzlich, mittendrin, ungläubig kringeln sich die Ohren: ein Kraftwerk-Song kommt akustisch auf dem Banjo dahergeritten: "The Model", angekündigt von Whitley mit dem Satz "Dallas über alles!" Phantastisch!! Wie aus einer anderen Welt, aber genauso einsam wie vor den chromglänzenden Computern singt der Cowboy im Staub von ihr, der Unerreichbaren. Der Song, diese unglaublich müde und traurig-schöne Coverversion hätte alleine sechs @ verdient!! () [www: @@@]
Verweise auf diesen Artikel aus späteren Ausgaben:
<#209: Chris Whitley "Perfect Day"> [bs:Â @@@@]
@@@@@ - potentieller Meilenstein: Starlight
@@@@ - definitives Highlight: Highlight
@@@ - erfreuliche Delikatesse: Delight
@@ - solides Handwerk: Solidlight
@ - verzichtbarer Ausschuss: Nolight
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