#96 vom 08.03.1998
Rubrik Feature, Artikelreihe Red's Independent Breakfast
Gastr Del Sol "Camoufleur"
(CD)
In der gleichen Clique haben zur gleichen Zeit Gastr Del Sol eine neue Platte aufgenommen, mit der die gleichen bzw. ähnliche Erwartungen verbunden waren wie mit der neuen Tortoise. Auch diese Platte widerspricht. Sie schalten den Avantgarde-Grad um 4 Gänge zurück, wer hätte das denn schon gedacht? In Chicago scheint man gemerkt zu haben, daß man mit Endlos-Gefrickel den Topf für Fortschrittlichkeit nicht gewinnt. Also besinnt man sich wieder darauf, was Musik unter anderem so schön machen kann: Gefühle und Emotionen mit Songs auszudrücken (- man muß ja nicht gleich Popmusik draus machen!). Der kalte und mathematische post-Rock-Hauch, den viele in Chicago verbreiten, fällt hier ganz weg. "Camoufleur" erinnert mich etwas an "The Fawn" von Sea And Cake; by the way, wer spielt hier wohl Schlagzeug?! Ähnlich wie auf "The Fawn" spielen Gastr Del Sol ihre Loops auf eine sehr jazzige Art mit Instrumenten, etwas hektischer vielleicht, aber nie avantgardistisch. Sie bleiben auf dem Boden und singen gelassen über Jahreszeiten und den Blues (das klingt wie manch alter französischer Chansonnier). Immer mit einem zwinkerndem Auge und so unglaublich locker und lässig, daß es (momentan) keine bessere Frühstücksplatte gibt, um den Tag lieb zu gewinnen. Und wenn David Grubbs in die Klaviertastatur weint, schmelze ich dahin (siehe bzw. höre Palace: "Arise Therefore"!!) [red]
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